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Will Ihre Dienststelle Beschäftigte entlassen, sind Sie vor der Kündigung zu beteiligen. Immer wieder müssen Sie sich dabei mit Fällen beschäftigen, in denen Beschäftigte das Eigentum des Dienstgebenden schädigen und deswegen entlassen werden sollen. Wie ist es, wenn man sein Hybridfahrzeug auf Arbeitgeberkosten lädt: Kann das die Dienststellenleitung zur Kündigung berechtigen (Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf, 19.12.2023, Az. 8 Sa 244/23)?
Rezeptionist nutzt Seminarsteckdose
Der Fall: Ein Rezeptionist in einem Beherbergungsbetrieb hatte regelmäßig Spätschichten. Am 12.1.2022 lud er sein Hybridauto in der Arbeit über ein Ladekabel an einer 220-Volt-Steckdose im Flur des Seminartraktes. Der Arbeitgeber kündigte ihm daraufhin am 14.1.2022 fristlos. Der Rezeptionist klagte.
Parteien einigten sich
Die Entscheidung: Arbeitgeber und Arbeitnehmer einigten sich, die Richter müssen also kein Urteil sprechen. Sie ließen aber durchblicken: Im vorliegenden Fall hätte wohl eine Abmahnung ausgereicht. So lagen die Kosten für den Ladevorgang bei nur 0,41 €. Ein Verbot zum Laden von Elektromotoren für die Mitarbeitenden existierte auch nicht. Das Laden anderer elektronischer Geräte ist erlaubt. Zudem besteht eine bislang beanstandungsfreie Beschäftigungszeit.
Bagatellkündigung: Kündigung wegen Kleinigkeiten
Bagatellkündigungen werden in 99 % der Fälle als außerordentliche Kündigungen ausgesprochen. Der Anlass hierzu ist verhältnismäßig nichtig: Ein Arbeitnehmer bedient sich am Vermögen des Arbeitgebers und wird deswegen wegen Diebstahls oder Unterschlagung entlassen. Dabei schädigt der Arbeitnehmer den Arbeitgeber aber nicht in Millionenhöhe, sondern oft nur im Cent- oder Euro-Bereich.
Eine berühmte Bagatellkündigung war z. B. der Fall Emmely. Die Dame wurde nach 21 Dienstjahren fristlos entlassen, weil sie Leergutbons im 2-€-Bereich unterschlagen haben soll. Vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Kündigung nicht gehalten (BAG, 10.6.2010, Az. 2 AZR 541/09).
Andererseits hielt die Kündigung wegen des Diebstahls von Desinfektionsmitteln (1 Liter) in Zeiten der Coronakrise. Die Richter hielten das Verhalten wegen des damaligen Versorgungsengpasses für besonders schlimm (LAG Düsseldorf, 14.1.2021, Az. 5 Sa 483/20).
Der bekannteste Fall ist wohl der Bienenstichfall. Hier wurde eine Beschäftigte einer Bäckerei entlassen, weil sie ein Stück Bienenstich des Arbeitgebers verzehrt hatte, ohne dieses zu bezahlen (BAG, 17.5.1984, Az. 2 AZR 3/83).
Fazit
: Sorgen Sie für klare Verhältnisse in Ihrer Dienststelle
Solche Fälle lassen sich durch klare Verhältnisse bzw. klare Ansagen vermeiden. Wenn Dienstgebende das Laden nicht erlauben wollen, sollten sie das formulieren. Dann weiß jeder, woran er ist, und Dienstgebende können bei Zuwiderhandlung auch sanktionieren. Drängen Sie in der Dienststelle auf klare Regelungen.
Denken Sie dabei nicht nur an Hybridfahrzeuge, sondern auch an andere „Geräte“:
– Darf das Handy oder der private Laptop in der Dienststelle geladen werden?
– Wie sieht es mit frischen Waren aus der Kantine oder dem Kiosk aus, dürfen diese am Feierabend mitgenommen werden? Können diese zum halben Preis erworben werden?
– Wie sieht es mit Büromaterial aus, welches aussortiert wurde? Dürfen die alten Kugelschreiber, Mappen … mitgenommen werden?
Es handelt sich hier nicht um hohe Beträge, da haben Sie recht. Aber auch diese kleinen Beträge, diese „Bagatellen“ sind kündigungsrelevant. Denn all diese Taten richten sich gegen das Eigentum des Dienstherrn. Es entscheidet immer der Einzelfall und im Einzelfall können auch 41 Cent den Arbeitsplatz kosten. Das lohnt sich wirklich nicht!
Bohren Sie im Rahmen Ihrer Personalratsanhörung immer nach
Auch bei der Bagatellkündigung sind Sie anzuhören. Haken Sie im Rahmen Ihrer Anhörung besonders bei der Interessenabwägung nach, denn diese ist bei den Kleinbeträgen entscheidend. Es ist etwas anderes, ob ein altgedienter Beschäftigter 2 Kulis einsteckt oder ein Mitarbeiter, der erst gestern angefangen hat! Behalten Sie dies immer im Hinterkopf, wenn es darum geht, der Kündigung zuzustimmen oder nicht. Appellieren Sie aber auch an Ihre Kolleginnen und Kollegen, dass sie sich nichts ungefragt nehmen sollen. Fragen kostet nichts, bewahrt einem im Zweifelsfall aber den Arbeitsplatz! Und das ist im Zweifel viel mehr wert als ein Kugelschreiber oder ein Stück Kuchen.