Offene Urlaubsansprüche? Diese Lösung kann Ihr Dienstherr künftig nicht mehr nehmen

12. August 2024
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Am Ende des Arbeitsverhältnisses gibt es häufig offene Urlaubstage. Bisher war es gängige Praxis, zu vereinbaren, dass der Urlaub bereits vollständig genommen war. Dafür stieg dann meistens der Abfindungsbetrag. Doch das geht so ohne Weiteres nun nicht mehr (Landesarbeitsgericht Köln, 11.4.2024, Az. 7 Sa 516/23).

Der Fall: Ein Betriebsleiter hatte einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Tagen. Im Jahr 2023 kam es zu Streitigkeiten, die auch vor dem Arbeitsgericht ausgetragen wurden. Die Parteien einigten sich im März 2023 in einem Vergleich, dass dem Betriebsleiter nur der gesetzliche Mindesturlaub für das Jahr 2023 ausgezahlt werden sollte. Die Parteien einigten sich auf Folgendes:

  • Das Arbeitsverhältnis sollte aufgrund betrieblich veranlasster Kündigung zum 30.4.2023 enden,
  • die Urlaubsansprüche sollten in natura eingebracht werden,
  • außer den im Vergleich geregelten Ansprüchen sollten keine weiteren Ansprüche mehr zwischen den Parteien bestehen.

Insbesondere sollten also keine weiteren Ansprüche auf eine Urlaubsabgeltung bestehen. Dieser Vergleich wurde am 31.3.2023 gerichtlich festgestellt.

Die Nachforderungen des Betriebsleiters

Dann wurde der Betriebsleiter jedoch krank. Deshalb war er mit der getroffenen Einigung später nicht mehr einverstanden und machte trotz des Vergleichs Urlaubsabgeltungsansprüche geltend.

Er forderte eine Urlaubsabgeltung von 1.635,14 € für den gesetzlichen Urlaubsanspruch mit der Begründung, der Mindesturlaubsanspruch für 2024 – anteilig für 4 Monate – von 7 Tagen zu je 230,73 € brutto pro Tag wäre unverzichtbar, was er beim Vergleichsabschluss so auch unmissverständlich klargestellt habe.

Der Arbeitgeber meinte, dass der Kläger mit dem Vergleichsabschluss auf die gesetzlichen Urlaubsansprüche verzichtet hätte.

Gericht gab der Klage statt

Das Urteil: Das Gericht war auf der Seite des Betriebsleiters. Weil der Arbeitnehmer in der ersten Jahreshälfte des Jahres 2023 – mithin zum 30.4.2023 – aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist, ergab sich ein gesetzlicher Anspruch von 6,67 Urlaubstagen, der nach § 5 Abs. 2 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) auf 7 Tage aufzurunden war. Der Prozessvergleich hat allerdings nicht zum Erlöschen dieses Anspruchs geführt, weil vereinbart war, der Urlaub wäre in natura eingebracht worden. Dabei hatte der Beschäftigte im Jahr 2023 keinen Tag Urlaub genommen.

Streitige Urlaubsansprüche können nach dem Gesetz nur dann mit einem sog. Tatsachenvergleich wirksam geregelt werden, wenn das Nachgeben der Parteien auf eine Ungewissheit im tatsächlichen Bereich gerichtet ist. Dies bedeutet konkret: Es muss eine Ungewissheit über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Anspruchs durch ein gegenseitiges Nachgeben beseitigt werden. Allerdings kann eine (vollständige) Unstreitigkeit der Forderung nicht Gegenstand eines Tatsachenvergleichs sein, sondern es ist in diesen Situationen von einem Erlassvertrag auszugehen.

Mein Tipp: Dienstherr sollte auf solche Vergleiche verzichten


Keine Vereinbarung kann den gesetzlichen Anspruch auf Urlaub während des Arbeitsverhältnisses ausschließen oder beschränken. Ein Tatsachenvergleich („Die Parteien sind sich einig, dass der Urlaub in natura gewährt wurde“) ist ausgeschlossen, wenn der Anspruch des Resturlaubs unstreitig besteht.

Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses sieht dies anders aus und Regelungen dürften möglich sein.

Der typische Text für einen solchen Tatsachenvergleich („Die Parteien sind sich einig, dass dem Arbeitnehmer keine Urlaubsansprüche für das Jahr 2024 mehr zustehen, da diese vollständig in natura gewährt wurden“) ist also bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses nicht mehr möglich. Es sei denn, der Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin hatte tatsächlich keine Urlaubsansprüche mehr. Aber dann ist die Vereinbarung einer solchen Klausel ohnehin überflüssig.

Fazit: Konsequenzen für die Praxis

Dieses Urteil wird Konsequenzen in der täglichen Arbeit haben, auch vor den Gerichten. Einigungen darüber, ob Urlaub bereits gewährt und genommen wurde, sind künftig rechtssicher erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich. Andernfalls sind noch bestehende Urlaubsansprüche abzugelten. Geben Sie das Urteil an Ihre Kolleginnen und Kollegen weiter.

§ 7 Abs. 4 BUrlG: Zeitpunkt, Übertragbarkeit und Abgeltung des Urlaubs


Kann der Urlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden, so ist er abzugelten.

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