Tarifvorrang – Rechte und Grenzen für Ihre Personalratsarbeit

03. Februar 2025
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Das Thema Tarifvorrang beschäftigt Sie als Personalrat fast zwangsläufig. Denn der Tarifvorrang, häufig ist es der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) oder noch der Bundes-Angestelltentarifvertrag, beschränkt Ihre Mitbestimmungsrechte.

Immer dann, wenn ein Tarifvertrag etwas abschließend regelt, bleibt grundsätzlich kein Platz für Vereinbarungen auf behördlicher Ebene. Das gilt aber eben nur grundsätzlich. Denn viele Urteile beschäftigen sich immer wieder mit dem Tarifvorrang. Der ergibt sich aus dem Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) bzw. den Personalvertretungsgesetzen der Bundesländer.

§ 80 Abs. 1 BPersVG: Mitbestimmung in organisatorischen Angelegenheiten


Der Personalrat bestimmt mit, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, über […]

Der Tarifvorrang wird umgangssprachlich auch als Tarifvorbehalt bezeichnet. Letztendlich geht es darum, dass Dienstvereinbarungen, die Sie als Personalrat mit Ihrem Dienstherrn abschließen, nicht gegen Tarifverträge verstoßen dürfen. Zudem sind Ihre Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten eingeschränkt, wenn ein Tarifvertrag bereits eine entsprechende Regelung enthält.

Das leuchtet dem einen oder anderen Personalrat nicht immer ein – und auch nicht jedem Dienstherrn. Denn auf behördlicher Ebene sind die Parteien wesentlich näher am Geschehen als die Tarifvertragsparteien. Letztendlich ist der Tarifvorrang auf Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz zurückzuführen, nämlich auf die sogenannte Tarifautonomie. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden fällt die gesellschaftliche Aufgabe zu, die grundlegenden Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen auszuhandeln.

Dahinter steckt der Gedanke, dass Tarifverträge für alle erfassten Arbeitsverhältnisse ein Mindestmaß an finanziellen und guten Arbeitsbedingungen garantieren sollen. Deshalb dürfen Dienstvereinbarungen grundsätzlich nicht von Tarifverträgen abweichen: weder zugunsten noch zulasten der Arbeitnehmer. Ob dieser theoretische Grundsatz in der Praxis immer glücklich ist, steht sicherlich auf einem anderen Blatt.

§ 63 Abs. 1 BPersVG: Dienstvereinbarungen

Dienstvereinbarungen sind in Angelegenheiten des § 78 Absatz 1 Nummer 12 bis 15, des § 79 Absatz 1 Nummer 4 und 5 sowie des § 80 Absatz 1 zulässig, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht und es sich nicht um Einzelangelegenheiten handelt. Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, können nicht Gegenstand einer Dienstvereinbarung sein. Dies gilt nicht, wenn ein Tarifvertrag den Abschluss ergänzender Dienstvereinbarungen ausdrücklich zulässt.

Der Personalrat hat also, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in einer Vielzahl sozialer Angelegenheiten mitzubestimmen. Soweit der Dienstherr tarifgebunden ist, hat der Personalrat in der Ausübung seiner Mitbestimmungsrechte nicht nur die gesetzlichen Vorschriften, sondern auch den Vorrang tariflicher Regelungen zu berücksichtigen.

Wichtig: Die Grenzen kennen

Ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats besteht nach ständiger Rechtsprechung dabei nur insoweit, als auch der Dienstherr im Rahmen seines Direktionsrechtes selbst noch etwas bestimmen kann

Beispiel: Mitbestimmungsrecht

Der TVöD für den Bund und die Kommunen (West) sieht eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 39 Stunden von montags bis freitags vor. Daran können Sie auch durch eine Dienstvereinbarung grundsätzlich nicht rütteln. Wann allerdings die Arbeitnehmer innerhalb dieses Korridors ihre Arbeitsleistung zu erbringen haben, kann in Dienstvereinbarungen geregelt werden. Es können der Beginn der täglichen Arbeit, die Pausen und das Ende der täglichen Arbeit selbstverständlich geregelt werden. Der Tarifvertrag ist an dieser Stelle nicht abschließend. Auch Regelungen über das Ein- und Ausstempeln sind möglich.

Aber: Der Tarifvertrag muss tatsächlich gelten und für Ihre Behörde auch anwendbar sein. Ein nachwirkender Tarifvertrag schließt das Mitbestimmungsrecht nicht aus. Der Tarifvorrang gilt bei mitbestimmungspflichtigen Regelungen nicht für AT-Angestellte, auch wenn der Dienstherr tarifgebunden ist (Bundesarbeitsgericht, 18.5.2010, Az. 1 ABR 96/08).

Es muss also stets für einen Tarifvorrang überhaupt ein Tarifvertrag anwendbar sein. Wie Sie das prüfen, lesen Sie am Ende dieses Beitrags. Nutzen Sie dazu gern unsere Checkliste.

Das gilt bei Kollisionen

Haben Sie nun festgestellt, dass Ihre Behörde tarifgebunden ist, darf Ihr Dienstherr grundsätzlich nicht vom anzuwendenden Tarifvertrag abweichen. Von diesem Grundsatz gibt es allerdings Ausnahmen.

Günstigkeitsprinzip

Wenn der Arbeitsvertrag eines Kollegen etwas Günstigeres beinhaltet als die tarifliche Regelung, kann der Kollege sich auf seinen Arbeitsvertrag berufen.

Beispiel: Günstigkeitsprinzip

Laut Tarifvertrag haben Sie und Ihre Kollegen 28 Tage Urlaub pro Jahr. Im Arbeitsvertrag eines Ihrer Kollegen steht jedoch, dass dieser 36 Tage Erholungsurlaub hat. Hier ist die arbeitsvertragliche Regelung günstiger als die tarifvertragliche und hat daher Vorrang.

Doch Vorsicht: Das hat nichts mit dem Tarifvorrang zu tun! Sie dürften an dieser Stelle nicht eine Dienstvereinbarung abschließen, nach der sämtliche Arbeitnehmer 36 Tage Urlaub erhalten.

Denn grundsätzlich gilt eine Rangordnung. An oberster Stelle stehen die Gesetze. Dem folgt ein anwendbarer Tarifvertrag. Dann kommen Dienstvereinbarungen und dann erst der Arbeitsvertrag.

Hinweis: Wann tarifliche Regelungen Vorrang haben


Verstößt eine Klausel in einem Arbeitsvertrag eines Kollegen gegen einen in Ihrer Behörde anwendbaren Tarifvertrag, gelten hinsichtlich dieses Regelungspunktes grundsätzlich die tariflichen Regelungen. In dem Fall mit dem Urlaub hatte der Kollege nur Glück, dass er sich auf das Günstigkeitsprinzip als Ausnahme berufen konnte.

Tariföffnungsklausel

Eine echte Ausnahme vom Tarifvorrang für Sie als Personalrat ist eine Öffnungsklausel. Lässt der Tarifvertrag ausdrücklich eine unterrangige Vorschrift zu, also beispielsweise im Arbeitsvertrag oder in einer Dienstvereinbarung, darf diese Regelung dann sogar schlechter sein als der Tarifvertrag.

Beispiel: Schlechterstellung durch Tarifvertrag


Die gesetzliche Kündigungsfrist für Ihren Dienstherrn beträgt mindestens 4 Wochen (§ 622 Abs. 1 BGB). In einem Tarifvertrag darf die Frist aber auch kürzer sein (§ 622 Abs. 4 Satz 1 BGB).

Hier die wichtigsten Öffnungsklauseln:

  • § 5 Abs. 2 TVöD/ TV-L: Qualifizierungsmaßnahmen
  • § 6 Abs. 4 TVöD/TV-L: Arbeitszeit
  • § 6 Abs. 6 TVöD/TV-L: Arbeitszeit
  • § 6 Abs. 7 TVöD/TV-L: Arbeitszeit
  • § 9 Abs. 2 TVöD / § 6 Abs. 9 TV-L: Bereitschaftsdienst
  • § 10 Abs. 1 TVöD/TV-L: Arbeitszeit
  • § 18 Abs. 6 TVöD(VKA) / § 18 TV-L: Leistungsentgelt
  • § 23 Abs. 2 Satz 3 TVöD / § 23 Abs. 2 TV-L: Jubiläumszuwendung
  • § 23 Abs. 3 Satz 4 TVöD / § 23 Abs. 3 TV-L: Sterbegeld
  • § 27 Abs. 3 TVöD/ TV-L: Zusatzurlaub
Mein Tipp: Öffnungsklauseln nutzen

Diese „Schlupflöcher“ sollten Sie als Personalrat auch nutzen!

Verstoßen Sie durch den Abschluss einer Dienstvereinbarung gegen den Tarifvorrang, ist Ihre Dienstvereinbarung nichtig.

Tarifvorrang
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