Das Thema Tarifvorrang beschäftigt Sie als Personalrat fast zwangsläufig. Denn der Tarifvorrang, häufig ist es der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) oder noch der Bundes-Angestelltentarifvertrag, beschränkt Ihre Mitbestimmungsrechte.
Immer dann, wenn ein Tarifvertrag etwas abschließend regelt, bleibt grundsätzlich kein Platz für Vereinbarungen auf behördlicher Ebene. Das gilt aber eben nur grundsätzlich. Denn viele Urteile beschäftigen sich immer wieder mit dem Tarifvorrang. Der ergibt sich aus dem Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG) bzw. den Personalvertretungsgesetzen der Bundesländer.
Der Tarifvorrang wird umgangssprachlich auch als Tarifvorbehalt bezeichnet. Letztendlich geht es darum, dass Dienstvereinbarungen, die Sie als Personalrat mit Ihrem Dienstherrn abschließen, nicht gegen Tarifverträge verstoßen dürfen. Zudem sind Ihre Mitbestimmungsrechte in sozialen Angelegenheiten eingeschränkt, wenn ein Tarifvertrag bereits eine entsprechende Regelung enthält.
Das leuchtet dem einen oder anderen Personalrat nicht immer ein – und auch nicht jedem Dienstherrn. Denn auf behördlicher Ebene sind die Parteien wesentlich näher am Geschehen als die Tarifvertragsparteien. Letztendlich ist der Tarifvorrang auf Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz zurückzuführen, nämlich auf die sogenannte Tarifautonomie. Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden fällt die gesellschaftliche Aufgabe zu, die grundlegenden Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen auszuhandeln.
Dahinter steckt der Gedanke, dass Tarifverträge für alle erfassten Arbeitsverhältnisse ein Mindestmaß an finanziellen und guten Arbeitsbedingungen garantieren sollen. Deshalb dürfen Dienstvereinbarungen grundsätzlich nicht von Tarifverträgen abweichen: weder zugunsten noch zulasten der Arbeitnehmer. Ob dieser theoretische Grundsatz in der Praxis immer glücklich ist, steht sicherlich auf einem anderen Blatt.
Der Personalrat hat also, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in einer Vielzahl sozialer Angelegenheiten mitzubestimmen. Soweit der Dienstherr tarifgebunden ist, hat der Personalrat in der Ausübung seiner Mitbestimmungsrechte nicht nur die gesetzlichen Vorschriften, sondern auch den Vorrang tariflicher Regelungen zu berücksichtigen.
Aber: Der Tarifvertrag muss tatsächlich gelten und für Ihre Behörde auch anwendbar sein. Ein nachwirkender Tarifvertrag schließt das Mitbestimmungsrecht nicht aus. Der Tarifvorrang gilt bei mitbestimmungspflichtigen Regelungen nicht für AT-Angestellte, auch wenn der Dienstherr tarifgebunden ist (Bundesarbeitsgericht, 18.5.2010, Az. 1 ABR 96/08).
Es muss also stets für einen Tarifvorrang überhaupt ein Tarifvertrag anwendbar sein. Wie Sie das prüfen, lesen Sie am Ende dieses Beitrags. Nutzen Sie dazu gern unsere Checkliste.
Das gilt bei Kollisionen
Haben Sie nun festgestellt, dass Ihre Behörde tarifgebunden ist, darf Ihr Dienstherr grundsätzlich nicht vom anzuwendenden Tarifvertrag abweichen. Von diesem Grundsatz gibt es allerdings Ausnahmen.
Günstigkeitsprinzip
Wenn der Arbeitsvertrag eines Kollegen etwas Günstigeres beinhaltet als die tarifliche Regelung, kann der Kollege sich auf seinen Arbeitsvertrag berufen.
Beispiel: Günstigkeitsprinzip
Laut Tarifvertrag haben Sie und Ihre Kollegen 28 Tage Urlaub pro Jahr. Im Arbeitsvertrag eines Ihrer Kollegen steht jedoch, dass dieser 36 Tage Erholungsurlaub hat. Hier ist die arbeitsvertragliche Regelung günstiger als die tarifvertragliche und hat daher Vorrang.
Doch Vorsicht: Das hat nichts mit dem Tarifvorrang zu tun! Sie dürften an dieser Stelle nicht eine Dienstvereinbarung abschließen, nach der sämtliche Arbeitnehmer 36 Tage Urlaub erhalten.
Denn grundsätzlich gilt eine Rangordnung. An oberster Stelle stehen die Gesetze. Dem folgt ein anwendbarer Tarifvertrag. Dann kommen Dienstvereinbarungen und dann erst der Arbeitsvertrag.
Tariföffnungsklausel
Eine echte Ausnahme vom Tarifvorrang für Sie als Personalrat ist eine Öffnungsklausel. Lässt der Tarifvertrag ausdrücklich eine unterrangige Vorschrift zu, also beispielsweise im Arbeitsvertrag oder in einer Dienstvereinbarung, darf diese Regelung dann sogar schlechter sein als der Tarifvertrag.
Hier die wichtigsten Öffnungsklauseln:
- § 5 Abs. 2 TVöD/ TV-L: Qualifizierungsmaßnahmen
- § 6 Abs. 4 TVöD/TV-L: Arbeitszeit
- § 6 Abs. 6 TVöD/TV-L: Arbeitszeit
- § 6 Abs. 7 TVöD/TV-L: Arbeitszeit
- § 9 Abs. 2 TVöD / § 6 Abs. 9 TV-L: Bereitschaftsdienst
- § 10 Abs. 1 TVöD/TV-L: Arbeitszeit
- § 18 Abs. 6 TVöD(VKA) / § 18 TV-L: Leistungsentgelt
- § 23 Abs. 2 Satz 3 TVöD / § 23 Abs. 2 TV-L: Jubiläumszuwendung
- § 23 Abs. 3 Satz 4 TVöD / § 23 Abs. 3 TV-L: Sterbegeld
- § 27 Abs. 3 TVöD/ TV-L: Zusatzurlaub
Verstoßen Sie durch den Abschluss einer Dienstvereinbarung gegen den Tarifvorrang, ist Ihre Dienstvereinbarung nichtig.

Sie erhalten innerhalb von 24 Stunden Ihre Antwort!