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Verletzt die Dienststelle die allgemeinen Regeln für Bewerbungsverfahren, führt das zwar auch zu einer Benachteiligung eines schwerbehinderten Bewerbers. Eine solche Benachteiligung erfolgt jedoch nicht zwangsläufig wegen der Schwerbehinderung (Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, 5.12.2023, Az. 5 Sa 3/23). Informieren Sie Ihre Schwerbehindertenvertretung!
Der Fall: Ein Mann war nach dem Grundwehrdienst zur Bundespolizei gegangen, wo er 2011 die Laufbahnprüfung des gehobenen Polizeivollzugsdienstes bestanden hatte. Zudem erwarb er den akademischen Grad „Diplom-Verwaltungswirt (FH)“. Anschließend war er bis Mai 2012 als Polizeikommissar am Flughafen tätig. Danach machte er noch seinen Master of Public Administration und war in verschiedenen Behörden als Sachbearbeiter bzw. Leiter tätig. Ab Februar 2018 arbeitete er dann in wechselnden Aufgabenbereichen bei einem privaten Sicherheitsunternehmen. Er hatte eine Schwerbehinderung mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 50.
Nun wollte eine Behörde mit 30 Mitarbeitenden einen neuen Dienstposten besetzen. Die Behörde hatte am 7.4. über das Portal „Interamt.de“ zum 1.9. die „Amtsleitung für Zentrale Dienste und Finanzen (m/w/d)“ mit einer Vergütung nach Entgeltgruppe 11 TVöD-VKA ausgeschrieben. Die Bewerbungsfrist lief bis zum Freitag, den 8.5. Auf diese Stelle bewarb sich der ehemalige Polizeikommissar. Er sandte am Montag, den 11.5., eine 56-seitige E-Mail.
Der Leitende Verwaltungsbeamte druckte die E-Mail aus und vermerkte darauf handschriftlich „Verfristet!“. Er wies die Personalleiterin an, dem Bewerber eine Absage zu erteilen. Eine Schwerbehindertenvertretung gab es in der Behörde nicht.
Klage wegen Benachteiligung eingereicht
Erst am 22.11. erkundigte sich der Bewerber nach dem Stand des Verfahrens. Die Behörde antwortete ihm am 26.11. und verwies auf ihre schriftliche Absage. Daraufhin forderte der Bewerber von der Behörde eine Entschädigung in Höhe von 11.568 €. Er war der Ansicht, dass die Behörde ihn wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt habe. Schließlich klagte er seine Forderung ein.
Die Arbeitsrichter waren auf der Seite der Behörde
Das Urteil: Der Bewerber hatte keinen Anspruch nach § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) auf eine Entschädigung, da er nicht wegen seiner Behinderung benachteiligt worden war.
Ein Verstoß des Dienstgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, begründet zwar regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der Behinderung. Das gilt auch für einen Verstoß des öffentlichen Dienstherrn gegen die in § 165 Satz 3 Sozialgesetzbuch IX geregelte Pflicht zur Einladung eines schwerbehinderten oder diesem gleichgestellten Bewerbers zu einem Vorstellungsgespräch. Allerdings gilt das nur, wenn der Bewerber wegen seiner Behinderung nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird.
Kein Zusammenhang mit Schwerbehinderung
Das Arbeitsgericht hatte die Ursache des Ausschlusses aus dem weiteren Bewerbungsverfahren allein in der Verfristung der Bewerbung gesehen. Eine Verletzung des allgemeinen Bewerbungsverfahrensanspruchs führt zwar auch zu einer Benachteiligung des Bewerbers. Eine solche Benachteiligung weist jedoch nicht zwangsläufig einen Zusammenhang mit einer Schwerbehinderung auf. Ebenso wenig löst sie einen Entschädigungsanspruch nach dem AGG aus, sondern gewährt unter Umständen die Möglichkeit, über den einstweiligen Rechtsschutz eine endgültige Besetzung der Stelle zeitweise zu verhindern. Zudem können sich daraus Schadenersatzansprüche ergeben.
Die bei der Behörde „gelebte Praxis“ mag rechtswidrig sein. Sie trifft jedoch alle Bewerber/-innen gleichermaßen, und zwar unabhängig von einer Schwerbehinderung, dem Geschlecht, der ethnischen Herkunft, der Religion etc.

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