Krankheitsbedingte Kündigung: Diese Voraussetzungen müssen vorliegen

28. August 2024

Eines ist klar: Ihr Dienstherr kann keine krankheitsbedingte Kündigung aussprechen, wenn die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen. Besonders wichtige Voraussetzungen sind die negative Gesundheitsprognose und die Beeinträchtigung dienstlicher Interessen.

Wann liegt eine negative Gesundheitsprognose vor?

Neben einer kündigungsfähigen Erkrankung muss eine negative Prognose vorliegen: Sie können von einer negativen Gesundheitsprognose ausgehen, wenn objektive Tatsachen für eine Arbeitsunfähigkeit auf nicht absehbare Zeit sprechen.

Um eine negative Gesundheitsprognose zu stützen, muss Ihr Dienstgeber detailliert aufzeigen,

  • welche Störungen bisher aufgetreten sind und
  • mit welchen weiteren Störungen er in Zukunft rechnen muss.

Für Ihren Dienstherrn bedeutet das, dass er die bisherigen Störungen und Fehlzeiten nach Zahl, Dauer und zeitlicher Abfolge genau bezeichnen muss. Pauschalangaben wie etwa „45 Fehltage im Jahr 2023“ genügen nicht. Krankheitsursachen müssen nicht angegeben werden.

Die Zukunftsprognose

Für die Zukunft muss Ihr Dienstherr ausführen, mit welchen weiteren Störungen aller Wahrscheinlichkeit nach zu rechnen ist. Dies geht nur mit einem Blick in die Vergangenheit. Ihre Dienststellenleitung kann durch die Umstände in der Vergangenheit (sprich: die Fehlzeiten) auf eine Wiederholungsgefahr für die Zukunft schließen – ganz nach dem Motto: Was die letzten Jahre so war, wird auch weiterhin so sein.

Wichtig: Nicht alles ist zu berücksichtigen

Ausgeheilte Leiden, einmalige Unfälle (Autounfall, Skiunfall) ohne bleibende Schäden und sonstige offenkundige einmalige Gesundheitsbeeinträchtigungen (zum Beispiel die Entfernung der Mandeln oder des Blinddarms) können niemals für eine negative Zukunftsprognose herangezogen werden.

Die Prognose: Was zu berücksichtigen ist – und was nicht

Eine negative Gesundheitsprognose ist nur zulässig, wenn die Fehlzeiten sich über einen relevanten Zeitraum erstrecken. Starre Zeiträume (von z. B. 3 Jahren) sind nicht zwingend. Dennoch wird meist ein Zeitraum von 2 bis 3 Jahren als Grundlage für die negative Gesundheitsprognose herangezogen. Wichtig für die Prognose ist auch:

  • Gibt es eine steigende, gleichbleibende oder fallende Tendenz bei den Erkrankungen? Die fallende Tendenz spricht gegen die negative Prognose und wäre am besten für Ihren Kollegen.
  • Wie häufig kommt es zu Erkrankungen? Je öfter, desto schlechter für Ihren Kollegen.
  • Gibt es eine Regelmäßigkeit (bezogen auf den zeitlichen Abstand zwischen den Krankheitsperioden)? Unregelmäßigkeit ist wieder besser für Ihren Kollegen, da sich die Prognose dann schlechter treffen lässt. Ihre Dienststellenleitung hat in diesem Fall keine verlässlichen Zeiträume, auf die sie sich berufen kann.
Wichtig: Kündigungszugang entscheidet

Maßgeblich für die Prognosebetrachtung ist der Zeitpunkt, zu dem Ihrem Kollegen die Kündigung zugeht. Das bedeutet: Ihre Dienststellenleitung muss für den Mitarbeiter günstige Umstände, die erst nach Zugang der Kündigung eintreten, nicht für die Prognose berücksichtigen (Bundesarbeitsgericht, 29.4.1999, Az. 2 AZR 431/98).

Unerheblich ist beispielsweise, wenn sich nachträglich herausstellt, dass Ihr Kollege nach Erhalt der Kündigung eine vorher abgelehnte Operation nun doch durchführen lässt, den Arzt wechselt oder seine Lebensführung ändert. Selbst wenn seine Krankheit dadurch ausheilt und eigentlich nicht mehr mit wiederholten Erkrankungen gerechnet werden muss, bleibt es arbeitsrechtlich bei einer negativen Gesundheitsprognose.

Hinweis: Informieren Sie Ihre Kollegen

Sagen Sie dies Ihren dauerkranken Kollegen. Ist die Kündigung einmal zugegangen, können sie durch das Ergreifen medizinischer Maßnahmen nichts mehr daran ändern. Es wäre daher taktisch klug, solche Maßnahmen spätestens dann zu ergreifen, wenn der Erkrankte in den Bereich kündigungsrelevanter Fehlzeiten kommt.

Wann die dienstlichen Interessen erheblich beeinträchtigt werden

Eine weitere Grundvoraussetzung für eine rechtssichere krankheitsbedingte Kündigung ist, dass es aufgrund der Erkrankungen zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Dienststelle gekommen ist. Dabei müssen entweder Ablaufstörungen in der Dienststelle vorliegen oder Ihr Dienstgeber muss in erheblichem Umfang wirtschaftlich belastet sein.

Wann erhebliche Ablaufstörungen vorliegen

Bei Ablaufstörungen handelt es sich z. B. um Beeinträchtigungen im Workflow, die durch einen Stillstand der Sachbearbeitung – beispielsweise wegen Überlastung des nicht erkrankten Personals oder mangelnder Planungsmöglichkeiten – entstehen. Ablaufstörungen rechtfertigen nur dann eine Kündigung, wenn sie schwerwiegend sind und nicht durch zumutbare Überbrückungsmaßnahmen ausgeglichen werden können – etwa durch den Einsatz einer Personalreserve, eine Umorganisation, durch Umsetzung eines anderen Arbeitnehmers oder die Neueinstellung einer Aushilfskraft.

Was ist schwerwiegend?

Was schwerwiegend ist beziehungsweise welche Überbrückungsmaßnahmen für Ihre Dienststellenleitung zumutbar sind, ist eine Frage des Einzelfalls und unter anderem von der Größe der Dienststelle abhängig. Gelegentliche Überstunden, die andere Mitarbeiter für den Erkrankten leisten, sind nicht als schwerwiegende Störung zu bezeichnen. Zudem ist eine Umsetzung einer größeren Dienststelle eher zumutbar als einer kleinen. Es kommt bei dieser Entscheidung also immer auf den Einzelfall an.

Welche Überbrückungsmaßnahmen sind zumutbar?

Die Einstellung einer Aushilfskraft ist bei Kurzerkrankungen wegen der fehlenden Kalkulierbarkeit nur in Ausnahmefällen zumutbar. Außerdem sind Ihrem Dienstgeber Überbrückungsmaßnahmen umso weniger zuzumuten, je wichtiger der erkrankte Kollege für die Dienststelle ist. Dann ist das Interesse an einer dauernden Besetzung des Arbeitsplatzes höher zu bewerten.

Bei Ablaufstörungen liegt die Darlegungs- und Beweislast zunächst bei Ihrem Dienstgeber. Er muss vortragen, wie der Dienstbetrieb in seinem Ablauf behindert wird und warum keine Überbrückungsmaßnahmen möglich oder zumutbar sind.

Beispiel: Arbeitskräftemangel

So müsste Ihr Dienstherr etwa angeben, dass keine anderen Mitarbeiter die Ausfallzeiten ausgleichen können, weil diesen das fachspezifische Wissen fehlt.

Soweit sich Ihr Dienstgeber auf eine wirtschaftliche Belastung stützt, muss er darlegen, wie viele Tage im Jahr er bis zum Kündigungsausspruch Entgeltfortzahlung wegen Krankheit geleistet hat und wie hoch die Entgeltfortzahlungskosten insgesamt waren. Zudem muss er darlegen, wie hoch die Entgeltfortzahlungskosten beziehungsweise Ausfallzeiten bei vergleichbaren Beschäftigten in der Dienststelle sind.

Hinweis: Sie müssen informiert werden

Diese Zahlen sind Ihnen im Anhörungsverfahren vorzulegen. Schon in diesem Stadium kann sich Ihr Kollege auf das gerichtliche Kündigungsschutzverfahren vorbereiten. Denn die Krankheitszeiten sind bei der Krankenkasse gespeichert. Er kann also genau nachprüfen, welche Kosten er verursacht hat.

Er sollte deswegen einen Zeitenabgleich vornehmen lassen. Bei so manchem Dienstgeber haben sich hier schon Fehler eingeschlichen. Dass keine Umsetzungsmöglichkeit besteht, muss Ihr Dienstgeber erst dann vortragen, wenn der Kollege detailliert schildert, wie er sich seine leidensgerechte Weiterbeschäftigung vorstellt. Einen konkreten Arbeitsplatz muss er dabei nicht benennen.

Wann ist der Dienstbetrieb erheblich wirtschaftlich belastet?

Eine krankheitsbedingte Kündigung ist nur möglich, wenn der erkrankte Kollege die Dienststelle wirtschaftlich erheblich belastet. Wirtschaftliche Belastungen können zum einen die Entgeltfortzahlungskosten in der Vergangenheit sein. Als Beeinträchtigung wirtschaftlicher Interessen wird die Entgeltfortzahlung aber nur anerkannt, wenn Ihr Dienstherr die Zahlung für einen Zeitraum von insgesamt mehr als 6 Wochen im Jahr aufwenden muss.

Wichtig: Kann Ihre Dienststellenleitung den Arbeitnehmer anderweitig einsetzen?


Keine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen (und zwar weder in Form von Ablaufstörungen noch in Form einer erheblichen wirtschaftlichen Belastung) liegt vor, wenn Ihr Dienstgeber den Kollegen auf einen sogenannten leidensgerechten Arbeitsplatz umsetzen kann.

Das bedeutet: Ihr Dienstgeber gibt dem kranken Arbeitnehmer eine andere Arbeit, die er – im Gegensatz zu seiner bisherigen Tätigkeit – erledigen kann, ohne dass dies seiner Gesundheit schadet.

Eine Umsetzung ist für Ihren Dienstgeber nicht nur dann zumutbar, wenn ein geeigneter Arbeitsplatz frei ist, sondern auch, wenn er einen solchen frei machen könnte, indem er einen anderen Arbeitnehmer im Rahmen seines Direktionsrechts umsetzt. Einen neuen Arbeitsplatz muss Ihre Dienststellenleitung für den kranken Mitarbeiter aber nicht schaffen. Auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz wäre der Kollege zwar möglicherweise immer noch krank, aber nicht mehr arbeitsunfähig. Denn der neue Arbeitsplatz entspricht seinem Krankheitsbild.

Beispiel: Die Küchenhilfe

Eine Küchenhilfe im städtischen Krankenhaus kann keine schweren Lasten mehr heben. Sie kann aber das Essen ausfahren und austeilen, da ihre Wirbelsäule durch diese Tätigkeit nicht so belastet wird. Ist ein solcher Arbeitsplatz frei oder kann er freigemacht werden, ist dieser Arbeitsplatz auf jeden Fall vor einer Kündigung anzubieten. Die Kündigung darf immer nur das letzte Mittel sein (Ultima-Ratio-Prinzip).

Ist diese Umsetzung für den anderen Arbeitnehmer eine Versetzung in eine andere Dienststelle, sind Sie als Personalrat zu beteiligen, § 78 Abs. 1 Nr. 5 Bundespersonalvertretungsgesetz bzw. Ihr entsprechendes Landesgesetz.

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