Wann sind Tattoos im öffentlichen Dienst erlaubt?

18. Januar 2022

Tattoos sind in der Bevölkerung sehr beliebt. Es geht hier in diesem Beitrag nicht darum, Tattoos zu bewerten; dazu wird sicherlich jeder seine eigene Ansicht haben. Jedoch stellen sich viele Beschäftigte im öffentlichen Dienst die Frage, ob und welche Tattoos erlaubt sind und welche nicht. Mit solchen Fragen mussten sich in der Vergangenheit auch bereits Personalräte beschäftigen. Mir sind mehrere Personalversammlungen bekannt, in denen es auch um dieses Thema ging. Deshalb möchte ich Ihnen hier einen Überblick zu dieser Frage geben.

Tattoos sind nicht per se verboten

Zu den Themen Körperschmuck und Erscheinungsbild gibt es jedoch Einschränkungen, etwa im BBG und im BeamtStG.

Zunächst: Es gibt kein „Tattoo-Verbot“ im öffentlichen Dienst. Allerdings existieren Einschränkungen für das äußere Erscheinungsbild in gesetzlichen Vorschriften. Solche Einschränkungen gibt es in § 61 Bundesbeamtengesetz (BBG), das für die Beamten des Bundes gilt, sowie in § 34 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG), das auf Landes- und Kommunalbeamte Anwendung findet.

Dabei geht es nicht nur um Tattoos, sondern um jegliche weiteren Formen des Körperschmucks und des Erscheinungsbilds, also auch für

• Mehndis (ornamentale Körperbemalung mit Henna),

•  generell Bodypaintings,

•  Brandings (durch das Einbrennen entsteht eine Narbe),

• Dermal Implants (unter der Hautoberfläche liegende Implantate, auf denen Schmuck angebracht werden kann),

• Cuttings (Erzeugen von Narben),

• gespaltene Zungen oder

• Elfenohren und

•  andere Formen der Bodymodification.

Die gesetzlichen Regelungen in § 61 Abs. 2 BBG und § 34 Abs. 2 BeamtStG sind identisch: „Beamtinnen und Beamte haben bei Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von

• bestimmten Kleidungsstücken,

• Schmuck,

• Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie

• die Art der Haar- und Barttracht

können von der obersten Dienstbehörde eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen […].“

Was grundsätzlich verboten ist

„Verfassungsfeindliche Tätowierungen“ oder solche, die gegen Strafgesetze verstoßen, sind immer unzulässig. Ein Beamter, der sich mit einer Auffassung, die der Werteordnung des Grundgesetzes (GG) widerspricht, derart identifiziert, dass er sie sich in die Haut eintätowieren lässt, ist nicht tragbar. Dabei ist es unerheblich, ob sich die Tätowierung beim Tragen der Dienstkleidung im sichtbaren Körperbereich befindet oder nicht.

Fall 1: Das „Aloha“­Tattoo für bayerischen Polizisten

So hat es fast 10 Jahre gedauert, bis sich die Polizei Mittelfranken und das bayerische Innenministerium mit einem Polizisten wegen seiner bevorstehenden „Aloha“-Tätowierung geeinigt haben. Der Polizist wollte sich das Tattoo stechen lassen, weil es ihn an seine Flitterwochen auf Hawaii erinnern sollte. Ihm würde dies gefallen. Der hawaiianische Gruß „Aloha“ stehe für Liebe, Freundlichkeit und Mitgefühl. Außerdem sei er kein schlechterer Polizist, nur weil er tätowiert sei.

Der Polizist hatte 2013 beim Polizeipräsidium Mittelfranken erfolglos eine Genehmigung für das Tattoo beantragt, dann ging es bis zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Zunächst hatte das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden, dass das Tattoo mit dem Bayerischen Beamtengesetz (BayBG) nicht vereinbar sei (14.5.2020, Az. 2 C 13.19). Dann hatte jedoch das BVerfG Mitte 2022 entschieden, dass der Fall nochmals geprüft werden müsse (18.5.2022, Az. 2 BvR 1667/20. Denn das BVerwG hatte geurteilt, dass Polizeivollzugsbeamte in Bayern nicht an Kopf, Hals, Händen und Unterarmen tätowiert sein dürften. Dies verbiete Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayBG unmittelbar.

Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Art. 2

Das BVerfG meinte nun aber, dass das gar nicht im Gesetz stehe. Das Urteil des BVerwG verletze den Polizisten in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit.

Nun hat der Freistaat Bayern die Genehmigung für die Tätowierung für den „konkreten Einzelfall“ erteilt. Bedingung ist allerdings, dass der Polizist die Tätowierung im Dienst so verdeckt, dass sie nicht zu sehen ist.

Jeder Fall ist eine Einzelfallentscheidung

An diesem Fall und seinen Urteilen wird erkennbar, dass jedes Tattoo anders zu beurteilen ist und jeder Fall eine Einzelfallentscheidung ist, insbesondere auch von Bundesland zu Bundesland.

Die Regelungen in den Bundesländern

Bei Tattoos kommt darauf an, wo man als Polizist, Lehrkraft und generell als Beamter arbeitet. In Bayern ist das schwierig, in Berlin und Nordrhein-Westfalen (NRW) sind die Landesregierungen etwas toleranter.

So werden in Berlin sichtbare Tätowierungen

„minderer Größe“ geduldet, solange die Neutralität gewahrt bleibt. Die Senatsinnenverwaltung hat eine entsprechende Änderung der Polizeidienstvorschrift 350 vorgenommen, die neben den Verhaltensvorschriften auch Vorgaben zum äußeren Erscheinungsbild der Beamten enthält. Lange galt bei der Berliner Polizei die „T-Shirt-Grenze“: Tattoos wurden toleriert, durften aber im Dienst nicht zu sehen sein. Einschränkungen gibt es aber weiterhin. Hals, Kopf und Hände müssen frei von Tattoos sein, verfassungsfeindliche Motive sind verboten. Auch Rheinland-Pfalz schreibt vor, dass Tattoos im Dienst abgedeckt werden müssen.

Gerichte in NRW häufig gefragt

Von NRW, dem größten Bundesland mit 18 Millionen Einwohnern, geht so etwas wie ein Rechtsprechungstrend aus. Die Gerichte haben in den vergangenen Jahren immer wieder Tattoo-Entscheidungen insbesondere zu Polizeivollzugsbeamten gefällt. Sie sind wegweisend auch für andere Bundesländer und andere Gerichte.

Fall 2: Das Löwen­Tattoo

So ging es beispielsweise in einem Verfahren um ein großflächiges Löwen-Tattoo auf der Brust eines Bewerbers. Der Dienstherr meinte, der zähnefletschende Löwenkopf wirke angriffslustig und aggressiv auf den Betrachter. Er vermittle einen gewaltverherrlichenden Eindruck, der sich nicht mit dem an einen Polizeivollzugsbeamten gestellten Anforderungsprofil vereinbaren lasse.

Das sah das Oberverwaltungsgericht (OVG) NRW anders: Es entschied in einem Eilverfahren, dass der Dienstherr einen Polizeianwärter nicht wegen eines großflächigen Löwen-Tattoos auf der Brust ablehnen dürfe (12.5.2020, Az. 6 B 212/20). Die Richter betonten, dass die Tätowierung keine Rückschlüsse auf die Gesinnung des Bewerbers zuließe.

Das OVG konnte aus dem Bildnis keine Gewaltbereitschaft ableiten. Vielmehr sah es in der Ablehnung des Kandidaten einen Eingriff in dessen Berufsfreiheit. Und so durfte der Tätowierte am Auswahlverfahren für den Polizeivollzugsdienst teilnehmen.

Fall 3: Skelett und Totenkopf auf dem Oberarm

Wegen eines Skeletts und eines Totenkopfs auf dem Oberarm hatte der Dienstherr Zweifel an der Eignung eines anderen Bewerbers für den Polizeidienst in NRW. Das Tattoo lasse auf eine gewaltverherrlichende Einstellung schließen. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf sah dies anders (14.9.2021, Az. 2 L 1822/21): Man müsse das gesamte Bildprogramm und die Beweggründe des Tätowierten betrachten: Das Skelett symbolisiere für ihn die Vergänglichkeit auf Erden, daneben prangten ein Engel und eine Friedenstaube. Folglich ging das Bewerbungsverfahren für diesen Polizeianwärter weiter.

Ermessensentscheidung gefordert

Bei Tattoos kommt es stets auf die Umstände des Einzelfalls an und der Dienstherr hat eine Ermessensentscheidung zu fällen. Fest steht, dass bei dienstlichen Einschränkungen zum Tragen von Körperschmuck die freie Entfaltung der Persönlichkeit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG, über die persönliche Eignung der Zugang zu einem öffentlichen Amt gemäß Art. 33 Abs. 2 GG sowie die Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG tangiert sind.

Eine solche Maßnahme kann daher nur verhältnismäßig sein, wenn sie geeignet und erforderlich ist, die mit der Uniform zu fördernde Zielsetzung und dabei die Grenze des individuell Zumutbaren zu wahren. Dabei hat die Behörde allerdings einen weiten Ermessensspielraum, der gerichtlich nur begrenzt nachprüfbar ist.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Art. 12

Differenzierung zwischen Bewerbern und bereits verbeamteten Kollegen

Als Nächstes könnte jemand fragen, ob die vorbezeichneten Grundsätze aus den Urteilen nur für (Polizei-)Bewerber gelten oder auch bereits für eingestellte Polizisten. Hier die Antwort: Wenn ein Bewerber aufgrund eines Tattoos oder sonstigen Körperschmucks nicht für den Polizeidienst geeignet ist, kann er aus demselben Grund auch für den weiteren Einsatz im Polizeidienst nicht mehr geeignet sein. Denn die oben bereits benannten § 61 Abs. 2 BBG und § 34 Abs. 2 BeamtStG gelten erst recht für bereits eingestellte Beamte.

Allerdings müsste man auch zwischen Beamten differenzieren, die Uniform tragen, und denjenigen, die keine tragen. Denn bei Letzteren wiegt das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit stärker als bei Uniformträgern.

Kommt eine Bewerberin oder ein Bewerber, eine Kollegin oder ein Kollege mit der Frage nach einer Tätowierung zu Ihnen als Personalrat, sollten Sie folgende Fragen klären:

ÜBERSICHT: TATTOO JA ODER NEIN?
FrageHinweis
Geht es um eine Tätowierung im sichtbaren Bereich?Raten Sie Beamtinnen und Beamten, zuvor eine Genehmigung einzuholen. Bewerberinnen und Bewerbern sollten den Dienstherrn vorher fragen, ob eine solche Tätowierung einer Einstellung entgegensteht.
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