Frage: Wird ein Unternehmen von einem anderen übernommen, lese ich häufig von einem sogenannten Betriebsübergang. Dieser hat besondere Voraussetzungen und arbeitsrechtliche Folgen für die Kolleginnen und Kollegen. Insbesondere gehen die Arbeitsverhältnisse auf den neuen Arbeitgeber über. Gibt es so etwas eigentlich auch im öffentlichen Dienst? Konkret: Bei uns soll das derzeit als Eigenbetrieb geführte Stadttheater in eine private GmbH überführt werden. Ist das ein Betriebsübergang oder müssen neue Arbeitsverträge geschlossen werden?
Betriebsübergang nicht immer leicht erkennbar
Maria Markatou: Umstrukturierungen – gerade in der Verwaltung wie Privatisierung, Outsourcing oder die Fremdvergabe von Leistungen – sind für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes besonders problematisch. Oftmals sind sie mit einem Arbeitgeberwechsel verbunden. Kündigungen oder Änderungen der vertraglichen Arbeitsbedingungen zum Nachteil der Beschäftigten können die Folge sein.
Die Auffassung des Bundesarbeitsgerichts
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) sagt dazu in seinem Urteil vom 22.5.2014 (Az. 8 AZR 1069/12), dass im öffentlichen Dienst § 613a Abs. 1 BGB i. V. m. der Richtlinie 2001/23/EG bei einer Übertragung wirtschaftlicher Tätigkeiten – jedoch grundsätzlich nicht bei einer Übertragung von Tätigkeiten in Ausübung hoheitlicher Befugnisse – zur Anwendung kommt. Oder anders ausgedrückt: Die Planung eines Gebäudes ist eine wirtschaftliche Tätigkeit, die übergehen kann, die Erteilung der Baugenehmigung jedoch nicht.
Bestandsschutz bei einem Arbeitgeberwechsel bieten die Vorschriften zum Betriebsübergang nach § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit der Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG.
Schutz der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
Ein Betriebsübergang hat diese Rechtsfolgen:
- Der neue Arbeitgeber tritt in die zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsverhältnisse ein (§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB).
- Soweit in den Arbeitsverhältnissen Tarifverträge in Bezug genommen sind, bleiben diese Bestandteil des Arbeitsverhältnisses (§ 613a Abs. 1 Satz 1 BGB).
- Waren der bisherige Arbeitgeber wie auch die Beschäftigten tarifgebunden, werden die bisherigen tariflichen Regelungen mit dem Übergang Bestandteil der Arbeitsverhältnisse mit dem neuen Arbeitgeber und dürfen nicht vor Ablauf eines Jahres geändert werden (§ 613 Abs. 1 Satz 2–4 BGB).
- Der bisherige Arbeitgeber haftet neben dem neuen Arbeitgeber gesamtschuldnerisch für Verpflichtungen, die vor dem Übergang entstanden sind, z. B. Gehaltsrückstände (§ 613a Abs. 2 BGB).
- Kündigungen des bisherigen Arbeitgebers wie auch des neuen Arbeitgebers wegen des Übergangs sind unwirksam (§ 613a Abs. 4 Satz 1 BGB).
- Vom Übergang betroffene Beschäftigte können dem Übergang des Arbeitsverhältnisses widersprechen mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Arbeitgeber fortbesteht (§ 613a Abs. 6 Satz 1 BGB).
Dann besteht allerdings das Risiko, dass der bisherige Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt kündigen kann, da bei ihm keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr besteht.
Der Anwendungsbereich des § 613a BGB und der Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG
Die Vorschrift des § 613a BGB und die EU-Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG setzen einen Betriebsübergang durch Rechtsgeschäft voraus. Sie gelten nicht bei der Übertragung von Aufgaben im Zuge einer Umstrukturierung von Verwaltungsbehörden oder bei der Übertragung von Aufgaben von einer Behörde auf eine andere (Art. 1 Abs. 1c Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG).
Sie sind nach der Rechtsprechung des BAG im Bereich der Ausübung von Hoheitsrechten ausgeschlossen.
Ein Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang im Sinne des § 613a BGB der EU-Betriebsübergangsrichtlinie 2001/23/EG liegt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des BAG vor, wenn ein neuer Rechtsträger eine bestehende wirtschaftliche Einheit unter Wahrung der Identität fortführt.
Maßgebliche Kriterien für einen Betriebsübergang sind die Art des Betriebs, die Übernahme von Betriebsmitteln, Knowhow und Personal und die Fortführung der bisherigen betrieblichen Tätigkeit ohne wesentliche Unterbrechung der Tätigkeit.
Abgrenzung zwischen privatwirtschaftlichem und hoheitlichem Bereich
Im Einzelfall ist es manchmal schwierig, festzustellen, ob tatsächlich ein Ausschluss der Vorschriften zum Betriebsübergang vorliegt oder nicht. Nach der Rechtsprechung des BAG finden die Vorschriften zum Betriebsübergang für öffentliche Unternehmen Anwendung, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben, unabhängig davon, ob sie Erwerbszwecke verfolgen oder nicht.
Tätigkeiten in Ausübung hoheitlicher Befugnisse sollen keine wirtschaftlichen Tätigkeiten sein.

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