Der Begriff der Rechtsscheinvollmacht ist sehr juristisch, trotzdem sollten Sie ihn kennen. Denn das Problem tritt aufseiten Ihres Dienstherrn häufiger auf, als Sie vielleicht denken.
So kann eine Dienstvereinbarung wirksam sein, obwohl Sie als Personalrat keinen entsprechenden vorherigen Beschluss gefasst haben.
Das zeigt dieser jetzt veröffentlichte Fall des Landesarbeitsgerichts (LAG) Düsseldorf, der 1:1 auf Sie als Personalrat übertragbar ist (15.4.2021, Az. 11 Sa 490/20).
Ihr Dienstherr weiß nämlich häufig nicht, ob ein Beschluss des Personalrats überhaupt ordnungsgemäß zustande gekommen ist oder nicht. Er ist bei Ihren Personalratssitzungen nicht anwesend.
Ansprüche aus Betriebsvereinbarung
Vereinbarungen mit Ihrem Dienstherrn schließen Sie als Dienstvereinbarung. In der freien Wirtschaft heißt das dann Betriebsvereinbarung, ist aber letztendlich das Gleiche.
Der Arbeitnehmer des Falls wollte nach einer älteren Betriebsvereinbarung bezahlt werden. Sein Arbeitgeber meinte jedoch, eine neuere, für ihn günstigere Betriebsvereinbarung hätte die alte abgelöst. Nun gab es Streit darüber, ob diese neue Betriebsvereinbarung wirksam zustande gekommen war.
Kein Beschluss des Betriebsrats
Nach dem klaren Wortlaut des § 33 Abs. 1 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz ist es in jedem Fall erforderlich, dass die an der Beschlussfassung beteiligten Betriebsratsmitglieder persönlich anwesend sind. Eine entsprechende Vorschrift finden Sie in § 39 Bundespersonalvertretungsgesetz. Eine Abstimmung im Umlaufverfahren, telefonisch, per E-Mail oder in einer Videokonferenz ist nicht zulässig.
Genauso war der Betriebsrat jedoch vorgegangen. Die noch amtierenden 3 Mitglieder hatten sich telefonisch abgestimmt und der Betriebsvereinbarung zugestimmt. Das reichte jedoch nicht für eine ordnungsgemäße Beschlussfassung. Und eine Beschlussfassung ist vor der Unterzeichnung einer Betriebsvereinbarung stets erforderlich.
Die Grundsätze der Rechtsscheinhaftung
Trotzdem entfaltete die Unterschrift des Betriebsratsvorsitzenden unter der Betriebsvereinbarung Wirkung. Das LAG hat eine Anscheinsvollmacht angenommen. Das ist auch überwiegend in der Rechtsprechung und Literatur anerkannt.
Voraussetzung ist in jedem Fall, dass aufseiten des Betriebsrats die Mehrheit der Mitglieder von dem Auftreten des Vorsitzenden gewusst haben oder hätten wissen müssen. Das war hier der Fall. Zudem hat der Betriebsrat trotz Kenntnis aller Betriebsratsmitglieder vom Fehlen einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung den Arbeitgeber nicht auf den fehlenden Betriebsratsbeschluss hingewiesen.
Anderer Fall: Auch hier fehlte der formelle Beschluss
Etwas anders stellt sich das Ganze in einem etwas älteren Fall des LAG Düsseldorf dar (27.4.2018, Az. 10 TaBV 64/17). Auch in diesem Fall ging es darum, ob eine Betriebsvereinbarung wirksam war. Der Geschäftsführer des Betriebs und der Betriebsrat hatten alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des Betriebs über eine neue Betriebsvereinbarung abstimmen lassen. Als die Mehrheit für den Vorschlag war, unterzeichneten alle Betriebsratsmitglieder einen Aushang, nach dem die neue Betriebsvereinbarung ab einem gewissen Zeitpunkt gültig sein sollte.
Betriebsrat zweifelte und zog vor Gericht
Später kamen dem Betriebsrat Zweifel und er zog vor das Arbeitsgericht. In diesem Fall urteilten die Richter des LAG eindeutig, dass die Betriebsvereinbarung nicht wirksam zustande gekommen sei, da es an einem erforderlichen Betriebsratsbeschluss fehlte. Auch eine nachträgliche Genehmigung war nicht erfolgt. Diese wäre zwar grundsätzlich möglich gewesen, jedoch auch wieder nur durch einen formellen Beschluss. Eine Rechtsscheinhaftung zugunsten des Arbeitgebers verneinten die Richter.
FAZIT
Rechtmäßige Beschlüsse fassen ▷ Als Personalrat sollten Sie vor jeder Entscheidung einen formell ordnungsgemäßen Beschluss fassen. Und das geht eben nicht im Umlaufverfahren, per E-Mail oder Telefon, sondern nur auf einer ordnungsgemäß einberufenen Sitzung.

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