Der Notarzt im Nebenjob ist ein Arbeitnehmer

17. Januar 2022

Ärztinnen und Ärzte, die im Nebenjob immer wieder als Notärztin oder Notarzt im Rettungsdienst arbeiten, sind regelmäßig sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Dies hat das Bundessozialgerichts (BSG) am 19.10.2021 in 3 Fällen entschieden (Az. B 12 KR 29/19 R, B 12 R 9/20 R, B 12 R 10/20 R). Nun sind Sie als Personalrat in den entsprechenden Krankenhäusern gefordert.

Die 3 Ärztinnen und Ärzte übernahmen ab 2014 im Nebenjob immer wieder Dienste als Notärztin bzw. Notarzt. Grundlage waren Vereinbarungen zwischen ihnen und den Trägern des öffentlichen Rettungsdienstes. Dabei gingen die Beteiligten davon aus, dass die Tätigkeit freiberuflich bzw. selbstständig erfolgen sollte. Während des Dienstes arbeiteten die Ärztinnen und Ärzte mit Personal der Krankenhäuser bzw. Kommunen zusammen und nutzten deren Mittel, insbesondere Notarztfahrzeuge.

Deutsche Rentenversicherung grätscht dazwischen

Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRVB) stellte in allen Fällen eine Versicherungspflicht aufgrund einer Beschäftigung mit der Begründung fest, die Ärztinnen und Ärzte seien in den öffentlich-rechtlichen Notarztdienst eingegliedert gewesen. Gegen einen entsprechenden Bescheid klagten die Ärztinnen und Ärzte.

BSG auf Seite der DRVB

Ausschlaggebend war, dass die Ärztinnen und Ärzte während ihrer Tätigkeit als Notärztin und Notarzt in den öffentlichen Rettungsdienst eingegliedert waren. Sie unterlagen Verpflichtungen, z. B. der Pflicht, sich während des Dienstes örtlich in der Nähe des Notarztfahrzeugs aufzuhalten und nach einer Einsatzalarmierung durch die Leitstelle innerhalb einer bestimmten Zeit auszurücken. Dabei war es unerheblich, dass dies durch öffentlich-rechtliche Vorschriften vorgegeben war.

Zudem nutzten sie überwiegend fremdes Personal und Rettungsmittel. Dass es sich dabei in einem Fall nicht um Rettungsmittel des betroffenen Landkreises als Arbeitgeber, sondern einer Stadt handelte, rechtfertigte keine andere Entscheidung. Denn die Ärztinnen und Ärzte setzten jedenfalls keine eigenen Mittel in einem wesentlichen Umfang ein.

Anhaltspunkte für eine selbstständige Tätigkeit fielen demgegenüber nicht entscheidend ins Gewicht. Dass die Beteiligten davon ausgingen, die Tätigkeit erfolge freiberuflich bzw. selbstständig, ist angesichts der Vereinbarungen und der tatsächlichen Durchführung der Tätigkeit irrelevant. Zudem konnten die Ärztinnen und Ärzte nur dadurch mehr verdienen und damit unternehmerisch tätig werden, indem sie mehr Dienste übernahmen. Während der einzelnen Dienste hatten sie insbesondere aufgrund ihrer Eingliederung in eine fremde Organisation keine Möglichkeit, ihren Gewinn durch eigenes unternehmerisches Handeln zu steigern.

So grenzen Sie zwischen Arbeitnehmern und Selbstständigen ab

Anhand dieses Falls können Sie sehr schön erkennen, dass die Abgrenzung zwischen einem selbstständigen unternehmerischen Handeln und einer Arbeitnehmereigenschaft nicht immer einfach ist. Agieren angeblich Selbstständige tatsächlich als Arbeitnehmer, handelt es sich um Scheinselbstständige. Und so können Sie diese Personengruppen unterscheiden:

Übersicht: Selbstständigkeit versus Scheinselbstständigkeit

Merkmale einer selbstständigen TätigkeitMerkmale einer Scheinselbstständigkeit
  • freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit
  • Einstellung von eigenem Personal
  • keine Abstimmung und Bezahlung von Urlaub
  • keine Meldung bei Krankheit
  • eigene Geschäftsräume
  • Einsatz von Kapital und eigenen Arbeitsgeräten
  • eigene Kundenakquisition
  • Erbringung von Leistungen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung
  • Erbringung von vorher vereinbarten Werkleistungen zum Fixpreis und Bezahlung nach Abnahme des mangelfreien Werkes gegen Rechnungserstellung
  • eigenes Haftungsrisiko für die erbrachte Dienstleistung
  • eigenständige Entscheidung über Einkaufs- und Verkaufspreise und Warenbezug
  • Weisungsgebundenheit, wann der Auftragnehmer wo und was wie zu tun hat
  • keine regelmäßig Beschäftigten
  • Auftraggeber hat Beschäftigte, die dieselben Tätigkeiten verrichten wie der Scheinselbstständige. Auftragnehmer hat Tätigkeit beim Auftraggeber zuvor als dessen Arbeitnehmer verrichtet.
  • Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Auftraggebers mit beispielsweise festen Arbeitszeiten, Arbeitsplatz beim Auftraggeber, Abstimmung von Urlaub, Meldung von Krankheit
  • keine eigenen Geschäftsräume
  • kein wirtschaftliches Risiko
  • Auftragnehmer arbeitet auf Dauer zu 5/6 nur für einen Auftraggeber.
  • keine eigenen Arbeitsgeräte
  • Bezahlung, die sich von der Entlohnung Angestellter nicht unter-scheidet

FAZIT

Sie bestimmen mit ▷ Denken Sie stets daran, dass es sich bei Scheinselbstständigen um Arbeitnehmer handelt. Das bedeutet, dass Sie schon bei der Einstellung mitbestimmen. Deshalb haben Sie ein elementares Recht zu erfahren, ob es sich tatsächlich um Selbstständige oder nur um Scheinselbstständige handelt. Im Zweifel lassen Sie Ihr Mitbestimmungsrecht durch das Verwaltungsgericht überprüfen.

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