Sie als Personalrat sollten die wichtigsten Pflichten Ihres Dienstherrn zur Urlaubsgewährung kennen. Nur so können Sie die Interessen Ihrer Kolleginnen und Kollegen wahren und sie bei Fragen zum Thema Urlaub gut beraten.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte zunächst mit Urteil vom 19.2.2019 (Az. 9 AZR 423/16) entschieden, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub nur dann am Ende des Kalenderjahres oder eines zulässigen Übertragungszeitraums erlischt, wenn
- der Dienstherr den Mitarbeiter zuvor in die Lage versetzt hat, seinen Urlaubsanspruch wahrzunehmen, und
- der Mitarbeiter den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht nimmt.
- Ihr Dienstherr muss also
- zwingend auf den Urlaubsanspruch hinweisen,
- dazu auffordern, den Urlaub zu nehmen, und
- über den Verfall nicht genommenen Urlaubs aufklären.
Urteil des BAG zum tariflichen Mehrurlaub
Nun gibt es ein relativ neues Urteil des BAG zum Verfall eines tariflichen Mehrurlaubs (9.3.2021, Az. 9 AZR 310/20). Die Parteien stritten über tariflichen Mehrurlaub, also die Urlaubstage, die über die Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) hinausgehen. Auf das Arbeitsverhältnis fand der für die chemische Industrie geltende Manteltarifvertrag (MTV) Anwendung. Darin sind sehr ausführliche Regelungen zum Urlaub enthalten. Außer der Dauer des Urlaubsanspruchs ist unter anderem auch dieses hier geregelt:
„Der Urlaub ist spätestens bis 31. März des folgenden Kalenderjahres zu gewähren. Der Urlaubsanspruch erlischt, wenn er nicht bis dahin geltend gemacht worden ist.“ Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst sieht eine entsprechende Regelung zum Glück nicht vor.
Die Auffassung des Arbeitnehmers
Der Arbeitnehmer war vom 30.11.2017 bis zum 1.8.2018 durchgehend krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Er konnte also seinen restlichen Urlaub im Jahr 2017 nicht nehmen. Deshalb machte er seinen Resturlaub gerichtlich geltend mit der Begründung, die urlaubsrechtlichen Vorschriften des MTV und die des BUrlG seien hinsichtlich der Verfallsfristen und hinsichtlich der Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers identisch. Daher sei sein tariflicher Mehrurlaub aus dem Jahr 2017 nicht verfallen. Insbesondere hätte der Arbeitgeber ihn auf den Verfall hinweisen müssen.
Das BAG entschied: Urlaub verfallen
Der Urlaub war verfallen aufgrund der Vorschriften des MTV. Dieser regelt in zulässiger Art und Weise die Befristung des tariflichen Mehrurlaubs und die Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers abweichend von den für den gesetzlichen Mindesturlaub geltenden Regelungen.
Der im MTV abweichend von den Bestimmungen des BUrlG über den gesetzlichen Mindesturlaub geregelte Mehrurlaub ist auf den 31.3. des auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres befristet. Er verfällt zu diesem Zeitpunkt auch dann, wenn der Arbeitnehmer wegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit gehindert war, den Mehrurlaub in Anspruch zu nehmen.
Arbeitgeber muss nicht auf Verfall hinweisen
Unterscheidet ein Tarifvertrag zwischen dem gesetzlichen und tariflichen Urlaubsanspruch und verlangt zudem vom Arbeitnehmer, den tariflichen Mehrurlaub vor bestimmten Terminen geltend zu machen, um seinen Verfall zu vermeiden, trägt nicht Ihr Dienstherr, sondern der Arbeitnehmer die Initiativlast für die Verwirklichung des Mehrlaubanspruchs. Also ist jeder Tarifvertrag einzeln zu betrachten.
Die Rechtsprechung des BAG zum BUrlG ist nicht zwingend auf tarifvertraglichen Mehrurlaub anzuwenden. Konnte tariflicher Mehrurlaub aufgrund einer Krankheit nicht genommen werden, kann er trotzdem nach einem Tarifvertrag verfallen. Und der Arbeitgeber muss auf den Verfall nicht zwingend hinweisen.
Neues zur Verjährung von Urlaubsansprüchen
Der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) Richard de la Tour hat ganz aktuell seine Schlussanträge zu der Frage vorgelegt, ob der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub verjähren kann, auch wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht aufgefordert hat, Urlaub zu nehmen, und ihn nicht darüber informiert hat, dass er seinen Urlaubsanspruch sonst verliert (5.5.2022, Az. C-120/21). Das BAG hat einen Rechtsstreit über die Abgeltung bezahlten Jahresurlaubs zu entscheiden, in dem sich der (ehemalige) Arbeitgeber auf die Verjährung (nach 3 Jahren gemäß § 195 Bürgerliches Gesetzbuch) des von der (ehemaligen) Arbeitnehmerin geltend gemachten Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub berufen hat.
Urlaubsansprüche verjähren nicht
Der Generalanwalt vertritt in seinen Schlussanträgen die Ansicht, dass das EU-Recht dahin gehend auszulegen ist, dass es einer nationalen Regelung entgegensteht, wenn ein Urlaubsanspruch verjährt, sofern der Arbeitgeber seinen Aufforderungs- und Hinweisobliegenheiten nicht nachkommt. In aller Regel folgt der EuGH den Anträgen des Generalanwalts. Insoweit ist von einer Verjährung etwaiger Urlaubsabgeltungsansprüche nicht auszugehen, wenn der Arbeitgeber seinen Hinweispflichten nicht nachgekommen ist.
Jede andere Auslegung hätte zur Folge, dass ein Mitgliedstaat den Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub eines Arbeitnehmers erneut zeitlich begrenzen könnte – diesmal allerdings über allgemeine Verjährungsvorschriften. Das würde dem EU-Recht zuwiderlaufen.

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