Neues zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht: Kennt Ihr Dienstherr diese Probleme?

05. April 2022

Die allgemeine Impfpflicht ist bekanntlich zunächst von der Tagesordnung des Bundestags verschwunden. Das gilt jedoch nicht für die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht. In diesem Bereich wird es erst richtig interessant, wenn die ersten Gesundheitsbehörden Tätigkeitsverbote aussprechen. Doch hier lauern Risiken, insbesondere für Ihren Dienstherrn, die auch Sie als Personalrat kennen sollten. Das Thema ist aktuell, denn die einrichtungsbezogene Impfpflicht gilt zunächst bis zum 31.12.2022 weiter.

Die arbeitsrechtlichen Konsequenzen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht stehen schon deshalb im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, weil sie sich unmittelbar und zeitnah zeigen werden. Das gilt insbesondere für Fragen zur Kündigung und Freistellung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

Die Tätigkeit nicht geimpfter Arbeitnehmer ist nicht automatisch verboten. Vielmehr ist folgendes Verfahren durch das Gesetz festgelegt:

1. Erbringen Arbeitnehmer den Nachweis nicht oder bestehen Zweifel an der Echtheit des Dokuments, muss der Arbeitgeber die Dokumente und Daten des Mitarbeiters an das Gesundheitsamt weitergeben.

2. Dieses wird in der Regel den Arbeitnehmer dazu auffordern, den Nachweis innerhalb einer bestimmten Frist der Behörde nachzureichen.

3. Unter Umständen wird auch eine Untersuchung angeordnet, um die Unverträglichkeit einer Corona-Schutzimpfung zu überprüfen.

4. Im äußersten Fall darf das Gesundheitsamt dem Mitarbeiter untersagen, die Räume der Gesundheits- oder Pflegeeinrichtung zu betreten oder dort tätig zu werden.

Die Impfpflicht gilt auch für Bewerber. Ihr Dienstherr hat entsprechende Nachweise zu verlangen, wenn die Person ab dem 15.3.2022 in einer von der Impfpflicht betroffenen Einrichtung tätig werden soll. Fehlen die Nachweise, darf sie grundsätzlich nicht eingestellt werden.

Die Kündigung von Arbeitnehmern

Hat das Gesundheitsamt ein Tätigkeits- und Betretungsverbot ausgesprochen, könnte es kritisch werden. Der betroffene Arbeitnehmer kann seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung nicht mehr nachkommen. Eine Kündigung ist daher nicht ausgeschlossen.

In jedem Fall wird Ihr Dienstherr den Kollegen aber zuvor abmahnen müssen. Erst danach darf er kündigen. Dies ist unabhängig davon anzunehmen, ob eine verhaltens- oder personenbedingte Kündigung auszusprechen ist.

Allerdings sind einige Fälle denkbar, in denen eine Kündigung wegen fehlender Immunitätsnachweise sozialwidrig wäre. Gründe dafür können sein:

—  Eine Kündigung ist nicht das mildeste Mittel. Ihr Dienstherr muss zunächst weniger einschneidende Maßnahmen ergreifen, z. B. einen Wechsel ins Homeoffice.

—  Eine Kündigung ist auch nicht möglich, wenn das behördliche Verbot in naher Zukunft aufgehoben werden wird. Denkbar ist etwa, dass die Gesundheitsämter wegen erheblichen Personalbedarfs die erlassenen Verbote aufheben oder § 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG) ausläuft. Der Paragraf gilt zunächst nur bis zum 31.12.2022.

—  Infiziert sich der Mitarbeiter noch während der Kündigungsfrist mit Corona, muss die Behörde den Verbotsbescheid grundsätzlich aufheben. Auch dann ist die Kündigung in aller Regel rechtswidrig.

Eine fristlose Kündigung wegen fehlender Impfung kommt nur in seltenen Ausnahmefällen in Betracht. Das ist z. B. dann der Fall, wenn Arbeitnehmer einen gefälschten Impfpass vorlegen.

Freistellung ohne Anordnung der zuständigen Behörde

Aus der gesetzlichen Regelung in § 20a IfSG ergibt sich gerade nicht, dass ein Betretungsoder Tätigkeitsverbot direkt durch das Gesetz eintritt oder vom Arbeitgeber nach dessen Ermessen verhängt werden kann. Es bedarf vielmehr einer ausdrücklichen Entscheidung der zuständigen Behörde.

Bezahlung bei Freistellung

Eine Freistellung durch den Arbeitgeber ohne behördliche Entscheidung dürfte zu einem Anspruch auf Annahmeverzugslohn aus § 615 Bürgerliches Gesetzbuch führen. Weisen Sie Ihre Kolleginnen und Kollegen ggf. darauf hin.

Strafrechtliche Risiken für Ihren Dienstherrn

Wegen Nötigung wird nach § 240 Strafgesetzbuch (StGB) bestraft, wer einen Menschen rechtswidrig durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt. Wenn Ihr Dienstherr einen Kollegen ohne behördliche Entscheidung freistellt, will er ihn zu einer Impfung motivieren. Das könnte eine Nötigung sein. Die wäre auch verwerflich, da gerade nicht der Arbeitgeber, sondern die Gesundheitsämter Tätigkeitsverbote aussprechen sollen.

Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt Wer als Arbeitgeber der Einzugsstelle Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung, unabhängig davon, ob Arbeitsentgelt gezahlt wird, vorenthält, macht sich nach § 266a Abs. 1 StGB strafbar. Aus der Gesetzesformulierung folgt unmittelbar, dass es für die Frage der Strafbarkeit des Arbeitgebers von vornherein nicht auf den Umstand ankommt, ob dieser Zahlungen an den Arbeitnehmer vornimmt oder nicht. Ihr Dienstherr könnte also auch dadurch eine Straftat begehen, dass er freigestellten Kolleginnen und Kollegen kein Entgelt mehr zahlt.

Vorsicht ist geboten

Die Freistellung eines Kollegen oder einer Kollegin durch Ihren Dienstherrn ohne ein vorherigen Tätigkeits- und Betretungsverbot durch die zuständige Behörde mag gut gemeint sein, sofern er damit Menschen schützen möchte. Es führt aber zu erheblichen arbeitsrechtlichen Konsequenzen sowie auch zu strafrechtlichen Risiken.

Checkliste: Macht Ihr Dienstherr alles richtig bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht?

  • Beschäftigte von betroffenen Einrichtungen mussten bis zum 15.3.2022 ihrem Arbeitgeber einen Nachweis über eine abgeschlossene Impfung, einen Genesenennachweis oder ein ärztliches Attest, dass sie nicht geimpft werden können, vorlegen.
  • Die Nachweispflicht gilt in Krankenhäusern, Einrichtungen für ambulantes Operieren, Vorsorgeoder Rehabilitationseinrichtungen, Dialyseeinrichtungen, Tageskliniken, Entbindungseinrichtungen, Behandlungsoder Versorgungseinrichtungen, die mit einer der oben genannten Einrichtungen vergleichbar sind, Arztpraxen, Zahnarztpraxen, Praxen sonstiger humanmedizinischer Heilberufe, Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitsdienstes, in denen medizinische Untersuchungen, Präventionsmaßnahmen oder ambulante Behandlungen durchgeführt werden, Rettungsdiensten, sozialpädiatrischen Zentren, medizinischen Behandlungszentren für Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen, voll- und teilstationären Pflegeheimen für ältere, behinderte oder pflegebedürftige Menschen, ambulanten Pflegediensten und weiteren Unternehmen, die den genannten Einrichtungen vergleichbare Dienstleistungen im ambulanten Bereich anbieten.
  • Ob eine in einer Einrichtung oder in einem Unternehmen anwesende Person unter die einrichtungsbezogene Impfpflicht gegen COVID-19 fällt, hängt davon ab, ob diese Person in der betroffenen Einrichtung oder in dem Unternehmen tätig wird. Dies bedeutet, dass insbesondere folgende Personen der Nachweispflicht unterfallen: — (externe) Handwerker, die regelmäßig tätig sind, insbesondere Gesundheitshandwerker wie Orthopädietechnik und medizinische Fußpflege, aber auch Personen, die regelmäßig Reparaturen im Gebäude durchführen, — Mitarbeitende in der Verwaltung oder in technischen oder IT-Diensten, in der Leitung/Geschäftsführung, sofern keine klare räumliche Abgrenzung zu den in der Einrichtung bzw. dem Unternehmen behandelten, untergebrachten oder gepflegten Personen vorhanden ist, — Friseure, die in den betroffenen Einrichtungen zum Haareschneiden kommen, — freie Mitarbeiter (z. B. Honorarkräfte, Berater), — Studierende, z. B. der Humanmedizin, die in einer betroffenen Einrichtung in die Patientenversorgung einbezogen sind oder dort praktische Ausbildungsabschnitte absolvieren, sowie — Auszubildende. Nicht unter die Nachweispflicht fallen z. B. Postboten oder Paketzusteller und andere Personen, die sich lediglich über einen ganz unerheblichen Zeitraum in der Einrichtung aufhalten.
  • Arbeitgeber haben das zuständige Gesundheitsamt zu informieren, wenn die Nachweise nicht fristgerecht vorgelegt werden oder Zweifel an der Echtheit oder Richtigkeit der vorgelegten Nachweise bestehen.
  • Das Gesundheitsamt kann die Beschäftigung in oder den Zutritt zu den Einrichtungen, in denen die Nachweispflicht gilt, untersagen.
  • Ausgenommen von der Regelung sind Personen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können. In diesem Fall ist die Vorlage eines entsprechenden ärztlichen Zeugnisses erforderlich.
  • Und: Die Vorschriften zur Masernimpfpflicht im IfSG werden angepasst. Die Frist zur Vorlage entsprechender Nachweise für bereits am 1.3.2020 in der jeweiligen Einrichtung Beschäftigte oder betreute Personen wird bis zum 31.7.2022 ausgeweitet.
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