Ihr Dienstherr muss Ihnen die erforderlichen Schulungen zahlen. So einfach, wie dieser Satz klingt, so viel Streitpotenzial birgt er auch. Oder können Sie aus dem Stegreif definieren, was alles erforderlich ist oder nicht? Eines wissen wir aber nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Düsseldorf: Erforderlich heißt nicht, dass immer die billigere Variante gewählt werden muss (24.11.2022, Az. 8 TaBV 59/21).
Bei einer Luftverkehrsgesellschaft wurde die Personalvertretung Kabine (PV Kabine) gebildet. Für diese gilt das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Die PV Kabine hatte entschieden, dass ein Mitglied aus Düsseldorf und ein Mitglied aus Köln die Präsenzschulung „Betriebsverfassungsrecht Teil 1“ in Binz/Rügen besuchen sollte. Doch der Arbeitgeberin war dies zu teuer, sie verwies auf günstigere Seminare bzw. auf ein Webinar.
Die PV Kabine lenkte ein und schickte die Mitglieder vom 24. bis zum 27.8.2021 auf die Schulung „Betriebsverfassungsrecht Teil 1“ in Potsdam. Für die Schulungskosten fielen ca. 1.800 € brutto und ca. weitere 1.300 € brutto an Übernachtungs- und Verpflegungskosten an. Die Hin- und Rückreise der beiden Mitglieder erfolgte per Flugzeug nach Berlin auf nicht von Kunden gebuchten Plätzen mit Flügen der Arbeitgeberin.
Trotzdem verweigerte die Arbeitgeberin die Übernahme der Schulungs-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten. Die beiden Personalvertreter hätten an einem kostengünstigeren Webinar mit identischem Schulungsinhalt teilnehmen können. Denn dann wären keine Übernachtungs- und Verpflegungskosten angefallen. Im maßgeblichen Zeitraum habe es zudem im näheren Einzugsgebiet kostengünstigere Präsenzseminare gegeben.
Das Arbeitsgericht hatte der PV Kabine die Schulungskosten schon in erster Instanz zugesprochen. Man stritt vor dem LAG Düsseldorf noch um die Übernachtungs- und Verpflegungskosten.
Arbeitgeberin muss die Kosten des Webinars doch tragen
Gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG muss die Arbeitgeberin die Schulungskosten tragen, wenn das bei der Schulung vermittelte Wissen für die Betriebsratsarbeit erforderlich ist. Inhaltlich war die Schulung erforderlich. Bei der Auswahl der Schulung muss die Personalvertretung auch die Kostenbelastung für die Arbeitgeberin im Blick haben. Sie hat dabei aber einen Beurteilungsspielraum.
Auf ein Webinar anstelle einer Präsenzveranstaltung musste sich die PV Kabine nicht verweisen lassen. Für die Frage der Erforderlichkeit sind die betriebliche Situation und die mit dem Besuch der Schulungsveranstaltung verbundene finanzielle Belastung der Arbeitgeberin zu berücksichtigen. Allerdings kann diese nur dann auf die Übernahme der Kosten eines preiswerteren Seminars bestehen, wenn mehrere gleichzeitig angebotene Veranstaltungen nach Beurteilung der PV Kabine als qualitativ gleichwertig anzusehen sind.
Argument der PV Kabine überzeugte die entscheidenden Richter
Die PV Kabine darf selbst entscheiden, wenn sie ein inhaltgleiches Webinar mit einer entsprechenden Präsenzveranstaltung nicht für qualitativ vergleichbar hält. Das Argument der Personalvertretung, dass der „Lerneffekt“ bei einer Präsenzveranstaltung deutlich höher ist als bei einem Webinar, ist durchaus nachvollziehbar. Denn bei Präsenzveranstaltungen kommt man viel leichter in ein Fachgespräch und Diskussionen.
Insoweit ist ein Webinar eher „Frontalunterricht“, die meisten Teilnehmer fühlen sich gehemmt, sich zu Wort zu melden (Kameras werden meist eh nicht angemacht – das kenne ich von mir selbst).
Deswegen durfte die PV Kabine die konkret angefallenen Übernachtungs- und Verpflegungskosten für erforderlich halten. Es gab keine ortsnäheren Präsenzseminare, auf die sie hätte verwiesen werden können. Die von der Arbeitgeberin vorgeschlagenen Alternativen fielen in Urlaubszeiten einzelner Mitglieder und hätten auch keine wesentliche Kostenersparnis gebracht. Die Übernachtungskosten wären nicht entfallen. Somit überwogen die Vorteile des Webinars auf keinen Fall!
FAZIT
Nutzen Sie Ihren Beurteilungsspielraum als Personalrat aus
Auch Sie haben bei der Frage der Erforderlichkeit einen Beurteilungsspielraum, den Sie wie Ihre Kollegen im Fall ausnutzen sollten. Und trauen Sie sich zu argumentieren. Auch ich hätte erst mal gesagt: Warum denn kein Webinar? Vor Ort, günstiger, weder Reise- noch Übernachtungskosten. Aber das Argument der PV Kabine war stichhaltig: der Lerneffekt. Seien Sie ermutigt, immer aus Ihrem Blickwinkel heraus zu argumentieren!
Und nutzen Sie auf jeden Fall Ihren Schulungsanspruch aus. Nur gut geschult können Sie Ihre Personalratsrechte effektiv nutzen! Und Effektivität ist es doch, was Ihre Wähler von Ihnen erwarten.

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