Dienstherr muss sein Weisungsrecht ermessensgerecht ausüben

07. Januar 2025

Viele Beschäftigte sind in der Coronazeit dauerhaft ins Homeoffice gewechselt – mit Wissen und Wollen des Dienstherrn. Natürlich kann sich eine Arbeitsaufgabe ändern oder auch der Sitz des Arbeitgebenden. Dies kann den Rückruf aus dem Homeoffice erforderlich machen. Dieser Rückruf darf dann aber nicht unbillig sein (Landesarbeitsgericht Köln, 11.7.2024, Az. 6 Sa 579/23).

Arbeitsweg von 500 km

Der Fall: Ein alleinstehender 55-jähriger Mann arbeitet seit 2017 im Planungs- und Projektmanagement bei seinem Arbeitgeber am Standort L. In den letzten 3 Jahren arbeitete er zu 80 % aus dem Homeoffice. Laut Arbeitsvertrag konnte er aber in der gesamten Unternehmensgruppe – je nach Projektarbeiten – eingesetzt werden. Nachdem der Standort L. geschlossen wurde, versetzte ihn sein Arbeitgeber am 1.5.2023 an den 500 km entfernten Einsatzort M. Die Erlaubnis, im Homeoffice zu arbeiten, wurde widerrufen. Hilfsweise für den Fall, dass die Versetzung unwirksam sein sollte, kündigte man dem Arbeitnehmer ordentlich zum nächstmöglichen Zeitpunkt, also zum 31.5.2023. Die Kündigung war verbunden mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen am neuen Standort fortzusetzen. Der Beschäftigte wollte im Home­office bleiben. Er klagte gegen die Änderungskündigung und die Versetzung.

Versetzung ist unbillig

Das Urteil: Der Beschäftigte gewann vor Gericht. Der Arbeitgeber kann zwar die Arbeitsleistung grundsätzlich einseitig in fachlicher, örtlicher und zeitlicher Hinsicht konkretisieren (§ 106 Gewerbeordnung (GewO)).

§ 106 GewO – Weisungsrecht des Arbeitgebers

Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. Dies gilt auch hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb. Bei der Ausübung des Ermessens hat der Arbeitgeber auch auf Behinderungen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen.

Der Arbeitgeber darf auch Anordnungen zum Verhalten am Arbeitsplatz im Einzelfall erteilen sowie abstrakt-generelle Verhaltensregeln erlassen und diese bei Bedarf jederzeit wieder ändern. Er muss dabei aber billiges Ermessen wahren, das heißt, er muss berechtigte Belange der Beschäftigten angemessen berücksichtigen. Und auch der Widerruf der einmal gegebenen Erlaubnis, die Arbeitsleistung vom Homeoffice aus zu erledigen, fällt unter das Direktionsrecht. Die Erlaubnis kann widerrufen werden. Dabei muss der Arbeitgeber aber die Interessen des Beschäftigten berücksichtigen. Hier hat der Beschäftigte ein erhebliches Bestands- und Ortsinteresse. Über Jahre hinweg arbeitete er im Home­office. Dort ist er verwurzelt. Demgegenüber steht kein sachlich überwiegendes Interesse des Arbeitgebers, ihn weit weg zu versetzen – insbesondere, da sich inhaltlich an der Arbeit nichts geändert hat.

Hinweis: Überprüfen Sie jede Weisung

Ich kann Ihnen nur raten, jede Weisung zu überprüfen. Denn unbillige Weisungen müssen Sie bzw. die Beschäftigten in Ihrer Dienststelle nicht befolgen. Der Dienstherr muss schon vorher prüfen, ob das, was er von Ihnen verlangt, recht und billig ist (Bundesarbeitsgericht, 14.6.2017, Az. 10 AZR 330/16).

Info: Direktionsrecht – Kennen Sie die Grenzen des Weisungsrechts?


Natürlich darf Ihr Dienstherr den Inhalt der Arbeitsleistung näher bestimmen. Alles andere wäre zumindest seltsam. Aber natürlich hat das Direktionsrecht auch Grenzen. Ist etwas zum Beispiel arbeitsvertraglich geregelt oder hat sich etwas über Jahre konkretisiert, kann der Dienstherr diesbezüglich kein Direktionsrecht mehr ausüben. Es besteht dann ja auch kein Regelungsbedarf mehr. Auch kann er sich nicht per Direktionsrecht über geltende Gesetze hinwegsetzen. Er darf z. B. nicht anweisen, dass keine Pausen gemacht werden dürfen.

Fazit: Nicht immer Ja und Amen sagen

Geben Sie dieses Urteil an Ihre Kollegen weiter. Werden diese durch eine Weisung erheblich belastet, sollten sie zumindest das Gespräch mit dem Dienstherrn suchen. Vielleicht gibt es eine vermittelnde Lösung, ein milderes Mittel. Das wäre jedenfalls besser, als einer Weisung Folge zu leisten, hinter der man gar nicht steht, oder gegen den Dienstherrn klagen zu müssen. Wenn es aber gar nicht anders geht, müssen Beschäftigte wie im vorliegenden Fall den Klageweg beschreiten.

Direktionsrecht
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