Dopingkontrolleure waren in Wahrheit abhängig beschäftigt – 160.000 € Nachzahlung fällig

25. Juni 2025

Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat sich mit der Frage beschäftigt, ob Dopingkontrolleure eines spezialisierten Unternehmens tatsächlich selbstständig tätig waren – oder wie angestellte Beschäftigte behandelt werden müssen (18.3.2025, Az. L 13 BA 3631/22). Ergebnis: Die Kontrolleure waren in den Betrieb eingegliedert und mussten sich an feste Vorgaben halten. Deshalb galt ihre Tätigkeit als sozialversicherungspflichtig – mit teuren Folgen für das Unternehmen.

Der Fall: Ein Unternehmen führt im Auftrag von Anti-Doping-Organisationen und Sportverbänden Trainings- und Wettkampfkontrollen im Leistungssport durch. Dabei griff es auf 2 Gruppen zurück: auf fest angestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – und auf sogenannte „freie Mitarbeiter“, also Personen, die auf selbstständiger Basis tätig sein sollten.

Mit diesen „Freien“ wurden Rahmenverträge abgeschlossen. Einsätze – etwa eine Dopingkontrolle bei einem Wettkampf – wurden als Einzelaufträge vergeben. Eine Rentenversicherung prüfte das Unternehmen im Jahr 2015 für den Zeitraum von 2011 bis 2014. Ergebnis: Die fast 100 „freien Mitarbeiter“ waren tatsächlich abhängig beschäftigt – und hätten als sozialversicherungspflichtig gelten müssen. Die Folge: Nachforderungen zur Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung in Höhe von rund 160.000 €.

Das Unternehmen wehrte sich. Vor dem Sozialgericht bekam es 2022 recht. Doch die Rentenversicherung legte Berufung ein – und hatte beim LSG Baden-Württemberg schließlich Erfolg.

Vertrag ist nicht entscheidend

Das Urteil: Maßgeblich für die Richter war nicht, wie ein Vertrag bezeichnet ist – sondern wie die tatsächliche Arbeit aussieht. Die Dopingkontrolleure waren zwar formal als freie Mitarbeiter geführt worden, arbeiteten aber in Wirklichkeit wie abhängig Beschäftigte.

Ein zentrales Kriterium: Weisungsgebundenheit

Wer nicht frei darüber entscheiden kann, wie und wann er seine Arbeit erledigt, ist in der Regel nicht selbstständig. Und genau das war hier der Fall: Die Kontrolleure mussten sich an konkrete Vorgaben halten – etwa, wann und wo sie kontrollieren mussten. Bei Wettkämpfen war die Zeit durch den Ablauf des Wettkampfes vorgegeben, bei Trainingskontrollen durch feste Zeitfenster der Dopingagenturen.

Auch inhaltlich waren sie stark gebunden: Die Kontrollen mussten streng nach den Regeln der Dopingorganisationen durchgeführt werden. Eigene Gestaltungsspielräume gab es kaum.

Die Eingliederung in die Organisation des Unternehmens spielte ebenfalls eine Rolle. Die Kontrolleure wurden vom Unternehmen bestimmten Einsätzen zugewiesen, sie traten gegenüber den Athleten nicht als eigenständige Dienstleister auf, sondern als Ausführende im Namen des Unternehmens. Sie verwendeten zudem die vom Unternehmen bereitgestellten Test-Kits und andere Materialien – sie nutzten also die Infrastruktur der Firma.

Dass sie keinen festen Arbeitsplatz hatten und auf Abruf arbeiteten, war laut Gericht unerheblich.

Kein unternehmerisches Risiko

Ein weiteres Kriterium war das unternehmerische Risiko. Wer selbstständig ist, trägt typischerweise ein gewisses Risiko, etwa durch Investitionen oder schwankende Einnahmen. Auch hier sah das Gericht keine echte Selbstständigkeit: Zwar mussten die Kontrolleure kleinere Hilfsmaterialien auf eigene Kosten besorgen, erhielten aber ein pauschales Honorar pro durchgeführter Kontrolle – unabhängig vom Aufwand oder vom Ergebnis.

Mein Tipp: Genau prüfen

Als Personalrat sollten Sie genau hinschauen, wenn Beschäftigte als „freie Mitarbeiter“ geführt werden. Denn bei einer fehlerhaften Einordnung drohen empfindliche finanzielle Konsequenzen – nicht nur für Ihre Dienststelle, sondern auch für die betroffenen Personen, etwa bei der Altersvorsorge oder im Krankheitsfall. Außerdem haben Sie als Personalrat bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Mitbestimmungsrechte.

Fragen Sie sich:

  • Können die freien Mitarbeiter wirklich frei über Zeit, Ort und Art ihrer Tätigkeit entscheiden?
  • Tragen sie ein echtes unternehmerisches Risiko?
  • Sind sie in die Abläufe eingebunden – oder arbeiten sie unabhängig?

Wenn Sie Zweifel haben, sprechen Sie mit Ihrer Dienststellenleitung und ziehen Sie gegebenenfalls sogar eine rechtliche oder fachliche Beratung hinzu. In vielen Fällen kann auch ein Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung helfen, Klarheit zu schaffen. So lassen sich hohe Nachforderungen und spätere Konflikte vermeiden.

Achten Sie dabei auch auf die „weichen“ Signale im Arbeitsalltag: Wenn etwa regelmäßig dieselben Personen in Dienstpläne eingetragen werden, an Teambesprechungen teilnehmen oder durchgängig dieselben Aufgaben übernehmen, spricht viel für eine abhängige Beschäftigung. Auch die Nutzung dienstlicher E-Mail-Adressen, Arbeitskleidung oder IT-Systeme kann auf eine Eingliederung hinweisen. Auch der Gleichbehandlungsgrundsatz spielt eine Rolle. Wer dauerhaft dieselbe Arbeit leistet wie fest angestellte Kolleginnen und Kollegen, sollte auch dieselben arbeitsrechtlichen Standards genießen – einschließlich sozialer Absicherung.

Weisungsgebundenheit
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