Wissen Sie, welchen Prüfungsmaßstab der Dienstherr anlegen muss, wenn er einen Beamten auf Widerruf entlassen möchte? Offensichtlich weiß das jedenfalls nicht jeder Dienstherr. Einem Dienstherrn in Bayern hat der Verwaltungsgerichtshof (VGH) München Nachhilfe gegeben (31.7.2024, Az. 3 CS 24.846). Die Überlegungen des Gerichts können Ihnen in vergleichbaren Fällen helfen, Ihre Kollegin oder Ihren Kollegen zu unterstützen.
Der Fall: Der Dienstherr hatte einen Beamten auf Widerruf per Bescheid aus dem Beamtenverhältnis entlassen. Gleichzeitig hat er die sofortige Vollziehung des Bescheids angeordnet. Die aufschiebende Wirkung des eingelegten Widerspruchs wurde durch das Verwaltungsgericht wiederhergestellt. Hiergegen hat der Dienstherr Beschwerde eingelegt, die beim VGH erfolglos war.
Entlassung war auf mehrere Vorfälle gestützt
Der Dienstherr hatte die Entlassung darauf gestützt, dass der Beamte auf Widerruf für den Beruf des Polizeivollzugsbeamten charakterlich ungeeignet sei. Dies stützte er auf eine Vielzahl von einzelnen Vorfällen. Nach der Darstellung des Präsidiums der Bereitschaftspolizei bildeten diese gemeinsam die Grundlage für die angenommenen charakterlichen Mängel. Vorgeworfen wurde ihm z. B., dass er
- sich während des Unterrichts nicht beteiligen würde,
- den Unterricht stören würde,
- einmalig den Unterricht durch den Benachrichtigungston seines nicht stumm geschalteten Handys gestört habe,
- auf Beanstandungen durch ironische Formulierungen reagiert habe,
- gegen Kleidungsbestimmungen der bayerischen Polizei verstoßen habe,
- durch andere Widerrufsbeamte rechtswidrig verschaffte Klausuren abfotografiert habe
usw. Insgesamt handelte es sich um 15 Vorwürfe, die dem Beamten auf Widerruf gemacht wurden.
Die Häufigkeit des Fehlverhaltens in vergleichsweise kurzer Zeit sprach nach Ansicht des Dienstherrn für charakterliche Mängel. In dem Bescheid fand sich ausdrücklich der Hinweis, dass einzelne Verstöße isoliert betrachtet die charakterlichen Mängel nicht begründet hätten. Sie seien allerdings im Gesamtbild und im Hinblick auf Zeitraum und Häufigkeit zu betrachten. Dieses Gesamtbild lasse dann keine andere Beurteilung zu.
Die Entscheidung: Die Münchner Verwaltungsrichter hielten die Entlassung für unwirksam. Das führte dazu, dass die aufschiebende Wirkung der eingelegten Rechtsbehelfe wiederherzustellen war. Der Beamte auf Widerruf war also weiter im Dienst, sein Beamtenstatus wirkte fort.
Diesen entscheidenden Fehler machte der Dienstherr
Nach Ansicht des Gerichts hatte der Dienstherr den Sachverhalt nicht zutreffend und vollständig ermittelt. Denn einige der erhobenen Vorwürfe hielten jedenfalls in der vorgebrachten Form einer näheren Überprüfung nicht stand. Entweder war der Sachverhalt nicht richtig festgestellt oder die rechtliche Bewertung des Sachverhalts war fehlerhaft.
Der entscheidende Punkt – und auch ein wichtiger Ansatzpunkt für Sie und Ihre Kollegen – war folgender: Will der Dienstherr einem Kollegen die charakterliche Eignung wegen eines Gesamteindrucks aufgrund mehrerer Vorwürfe absprechen, kommt es auf jeden Vorwurf an. Es muss jeder einzelne dieser Vorwürfe auf einer
- richtigen und vollständigen Ermittlung des Sachverhalts und
- auf dessen zutreffender rechtlicher Bewertung
beruhen. Ist das auch nur bei einem einzigen Vorwurf nicht der Fall, ist die gesamte Beurteilung der charakterlichen Eignung nicht mehr haltbar und unwirksam. Die Entlassung wegen fehlender charakterlicher Eignung ist dann nicht möglich.
Etwas anderes gilt nur, wenn der Dienstherr zum Ausdruck gebracht hat, dass bereits eine einzelne Erwägung ihn dazu veranlasst hat, die getroffene Entscheidung vorzunehmen, also bereits allein tragend ist.

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