Sozialversicherungspflicht von Lehrkräften – der Einzelfall entscheidet

11. Dezember 2024

Gerade bei Volkshochschulen oder auch Anbietern von Integrationskursen wird gerne auf freie Mitarbeit gesetzt. Die so beschäftigten Lehrkräfte werden dann als selbstständig geführt. Sozialversicherungsbeiträge entrichten die Dienstgebenden nicht. Ob das aber in jedem Fall so richtig ist, darüber entscheidet der Einzelfall (Bundessozialgericht (BSG), 5.11.2024, Az. B 12 BA 3/23 R).

Der Student als selbstständige Lehrkraft

Der Fall: Eine Volkshochschule bot u. a. Kurse zur Vorbereitung auf die Erlangung eines Realschulabschlusses auf dem zweiten Bildungsweg an. Ein Student lehrte als freier Mitarbeiter Recht und Politik. Er unterlag keinem Weisungsrecht. Die VHS stellte die Räume und stimmte die Unterrichtszeiten mit den anderen Dozenten ab. Der Student übermittelte regelmäßig eine Leistungseinschätzung für die einzelnen Schüler an die Fachbereichsleitung. Diese stellte eine Art Zeugnis für die Schüler aus. Die Deutsche Rentenversicherung Bund stellte Versicherungspflicht aufgrund Beschäftigung für den Studenten fest, die VHS hätte hier also Sozialversicherungsbeiträge nachentrichten müssen und müsste natürlich für die Zukunft den Studenten als sozialversicherungspflichtig Beschäftigten führen.

Rentenversicherung Bund klagt sich durch

Der Fall landete vor Gericht. Vor dem Sozialgericht wurden die Beitragsbescheide aufgehoben. Der Fall ging in die Berufung. Das LSG urteilte, dass es vor Juni 2022 eine maßgebliche höchstrichterliche „Sonderrechtsprechung“ gegeben habe, nach der lehrende Tätigkeiten grundsätzlich als selbstständige Tätigkeiten zu beurteilen gewesen seien. Erst durch das Urteil vom 28.6.2022 (Az. B 12 R 3/20 R) sei eine Änderung eingetreten. Auf davorliegende Zeiträume seien die geänderten Grundsätze nicht übertragbar.

Damit endete der Fall aber nicht, sondern ging noch vor das BSG.

Der Einzelfall entscheidet

Das Urteil: Selbstständige Lehrer unterliegen grundsätzlich der Rentenversicherungspflicht. Die Beiträge müssen sie selbst zahlen. Jedenfalls für die Zeit vom 7.8.2027 bis 22.6.2018 sei der Dozent versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Für die Zeiträume danach wurde der Fall noch mal an das LSG verwiesen, das hierzu nun entscheiden muss.

Info: Rentenversicherungspflicht – Auch Selbstständige zahlen ein


Wer rentenversicherungspflichtig ist, ist im Sozialgesetzbuch (SGB) VI geregelt. Das sind zum einen abhängig Beschäftigte, aber auch selbstständig Tätige nach § 2 SGB VI. Lehrer fallen unter § 2 Abs. 1 SGB VI. Die selbstständig Versicherungspflichtigen tragen ihre Beiträge allein. Im Arbeitsverhältnis tragen Beschäftigte/Dienstgebende die Beiträge je zur Hälfte.

Wird eine abhängige Beschäftigung festgestellt, zahlen Dienstherren und Arbeitnehmer die Beiträge zur Hälfte. Hier war der Student für die Zeiten vom 7.8.2017 bis 22.6.2018 versicherungspflichtig beschäftigt. Der Arbeitgeber hat für diese Zeiten die Sozialversicherungsbeiträge anteilig zu entrichten. Für die Zeit danach ist eine Einzelfallbetrachtung vorzunehmen. Es gibt keine gefestigte Rechtsprechung, dass Lehrer immer sozialversicherungspflichtig oder sozialversicherungsfrei beschäftigt sind.

Die Zeiten nach dem 22.6.2028 muss das LSG erneut untersuchen. Hier ist eine Einzelbetrachtung vorzunehmen, der Rechtsstreit wurde zurückverwiesen.

Fazit: Sehen Sie genau hin

Auch im öffentlichen Dienst gibt es freie Mitarbeiter, insbesondere im Bereich Integration/Integrationskurse zum Erwerb von Sprachkenntnissen (Lehrer, § 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) oder auch im Krankenhausbereich (Hebammen, § 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI). Und auch hier muss geprüft werden, ob die Freien wirklich frei sind oder abhängig beschäftigt. Sonst können auch hier für die Dienststelle Nachzahlungen drohen.

Gibt es bei Ihnen freie Mitarbeiter, sollte die Dienststelle schon zu Beginn der Tätigkeit ein Statusfeststellungsverfahren beantragen bei der Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund. Denn dann wissen beide Vertragsparteien von Anfang an, woran sie sind.

Treten Sie an Ihren Dienstherren heran und regen Sie an, dass bei Tätigkeiten, die in § 2 SGB VI genannt sind, grundsätzlich ein Statusfeststellungsverfahren durchgeführt wird. Dies dient der Rechtssicherheit.

Mein Tipp: Informieren Sie sich

Das Formularpaket zur Statusfeststellung (ausfüllbare PDF-Dateien) können Sie sich hier kostenlos herunterladen: https://kurzlinks.de/drv-formularpaket-rentenversicherung. Die Adresse der Clearingstelle ist: Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund, Postfach, 10704 Berlin. Nehmen Sie im Zweifelsfall Kontakt auf und informieren Sie sich.

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