Ein BEM pro Jahr muss nicht für krankheitsbedingte Kündigung reichen

03. Dezember 2021

Sind Mitarbeiter innerhalb von 12 Monaten länger als 6 Wochen arbeitsunfähig, muss Ihr Dienstherr ihnen ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anbieten. Wenn sich die Arbeitsunfähigkeit dann fortsetzt, kann dies für Ihren Dienstherrn bedeuten, immer wieder ein BEM anbieten zu müssen (Bundesarbeitsgericht, 18.11.2021, Az. 2 AZR 138/21).

Ein Produktionshelfer war bereits seit 2010 alljährlich länger als 6 Wochen arbeitsunfähig und verursachte so beträchtliche Entgeltfortzahlungskosten. Nach einem BEM im März 2019 fielen weitere 79 Arbeitsunfähigkeitstage an. Der Arbeitgeber kündigte ihm deshalb im Februar 2020. Der Mitarbeiter klagte gegen die Kündigung: Die Erkrankungen, um die es beim BEM im März 2019 gegangen sei, seien inzwischen ausgeheilt. Der Arbeitgeber hätte deshalb in einem weiteren BEM mit ihm erörtern müssen, welche Beschäftigungsmöglichkeiten es für ihn gebe.

Der Arbeitgeber hingegen meinte, er habe seine Pflicht gemäß § 167 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) IX erfüllt. Das BEM habe zum Zeitpunkt der Kündigung schließlich noch keine 12 Monate zurückgelegen.

BEM muss erneut stattfinden

Der Mitarbeiter sollte recht behalten. Denn hat man ein BEM-Verfahren abgeschlossen, dann hat man das Arbeitsverhältnis „BEM-technisch“ auf null gestellt. Treten erneute Krankheitszeiten auf, die insgesamt 6 Wochen überschreiten, ist ein neues BEM durchzuführen. Die Kündigung war unwirksam.

Ihr Dienstherr ist nicht chancenlos

Das heißt nicht, dass der Dienstherr in einer Endlos-BEM-Schleife gefangen wäre. Denn kann er darlegen, dass ein BEM nichts bringt, weil er den Beschäftigten nicht leidensgerecht einsetzen kann, kann er – wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen – zur krankheitsbedingten Kündigung schreiten. Je öfter der Dienstherr ein BEM durchgeführt hat, desto besser kann er auch die Kündigungsnotwendigkeit darlegen, nach dem Motto:

„Ich habe alles getan, aber es wird nicht besser.“

Kündigung trotz besserer Absicherung möglich

Ihr Dienstherr wird nach dem Urteil verstärkt dazu übergehen, im BEM auch zu prüfen, ob sich zu einem vorhergehenden BEM beim betroffenen Kollegen gesundheitlich etwas stark verändert hat. Immer wenn dieser hier mit Nein antwortet, bringt das den Dienstherrn der Kündigung einen Schritt näher. Das Urteil sichert damit Ihre Kolleginnen und Kollegen etwas mehr ab, eine Kündigung wird dadurch aber nicht unmöglich.

Hier finden Sie eine Checkliste zum BEM für Ihre tägliche Arbeit:

Die wichtigsten Schritte beim BEM auf einen Blick

  • Haben Sie festgestellt, ob die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit des Kollegen die Grenzen des § 167 Abs. 2 SGB IX überschritten haben, er also — innerhalb von 12 Monaten länger als 6 Wochen ununterbrochen arbeitsunfähig oder — innerhalb von 12 Monaten wiederholt arbeitsunfähig war? (die Summe der einzelnen Arbeitsunfähigkeitszeiten liegt über 6 Wochen) Wird die Summe von 6 Wochen nicht erreicht, dann können Sie hier schon stoppen. Denn die Voraussetzungen für die Durchführung des BEM sind dann nicht erfüllt.
  • Die Information des betroffenen Kollegen über das beabsichtigte BEM und dessen Ziele ist erfolgt, und zwar — bei noch fortbestehender Arbeitsunfähigkeit: Überwindung der Arbeitsunfähigkeit, — bei häufiger Arbeitsfähigkeit: Vermeidung künftiger Arbeitsunfähigkeit.
  • Die Information des betroffenen Kollegen über die für das BEM erhobenen und verwendeten Daten ist erfolgt, wie etwa — Fehlzeitenaufstellung, — Daten über die Krankheit, wie z. B. die Krankheitsursache und den Krankheitsverlauf.
  • Ihr Dienstherr hat die schriftliche Zustimmung des Kollegen zur Datenerhebung eingeholt.
  • Falls der Kollege die Zustimmung und das BEM verweigert: Dokumentation der Weigerung.
  • Die Teilnehmer am BEM wurden festgelegt.
  • Haben Sie bei einem der Prüfpunkte das Nein angekreuzt, dann holen Sie bzw. Ihr Dienstherr die Handlung umgehend nach und sichern Sie sich so den Erfolg „Ihres“ BEM!
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