Soldaten müssen sich gegen COVID-19 impfen lassen

05. August 2022

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat die Anträge von 2 Luftwaffenoffizieren gegen die Verpflichtung, die COVID-19-Impfung zu dulden, als unbegründet zurückgewiesen (7.7.2022, Az. 1 WB 2.22 und Az. 1 WB 5.22). Aber lesen Sie selbst:

Luftwaffenoffiziere wehren sich gegen Impfpflicht

Das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) hatte am 24.11.2021 eine allgemeine Regelung erlassen, nach der die Schutzimpfung gegen COVID­19 in die Liste der für alle aktiven Soldatinnen und Soldaten verbindlichen Basisimpfungen aufgenommen worden war. Dagegen wendeten sich die beiden Luftwaffenoffiziere im Rahmen der Wehrbeschwerdeordnung.

Beide hatten vorgetragen, die Impfung mit den von der Bundeswehr verwendeten mRNA-­Impfstoffen sei rechtswidrig und greife in unzumutbarer Weise in ihre Rechte ein. Die mit den Impfstoffen verbundenen Risiken stünden nicht im Verhältnis zu deren Nutzen.

Der Erste Wehrdienstsenat des BVerwG hat die allgemeine Regelung zur Durchführung der COVID­19­Impfung als anfechtbare dienstliche Maßnahme angesehen, weil sie für die ausführenden Truppenärzte und Disziplinarvorgesetzten bindend ist und unmittelbare Auswirkungen auf die betroffenen Soldaten hat. Er hat darum die Einwände gegen die COVID­19­Impfung an 4 Verhandlungstagen erörtert und inhaltlich überprüft. Dabei wurden neben Sachverständigen der Antragsteller und der Bundeswehr auch Fachleute des Paul-­Ehrlich- und des Robert­-Koch-­Instituts angehört.

Regelung ist rechtmäßig

Im Ergebnis hat sich die allgemeine Regelung als formell und materiell rechtmäßig erwiesen. Das BMVg hat die Regelung in einem ordnungsgemäßen Verfahren erlassen und insbesondere die Soldatenvertretungen beteiligt. Es war im Rahmen der ihm zustehenden Weisungsbefugnis nach § 10 Abs. 4 Soldatengesetz (SG) berechtigt, nach pflichtgemäßem Ermessen den Kreis der notwendigen Schutzimpfungen festzulegen. Denn § 17a SG enthält eine ausdrückliche Regelung darüber, dass jeder Soldat verpflichtet ist, sich im Interesse der militärischen Auftragserfüllung gesund zu erhalten und dabei ärztliche Maßnahmen zur Verhütung übertragbarer Krankheiten gegen seinen Willen zu dulden.

Der Grund dafür lautet: Der militärische Dienst bringt durch die Zusammenarbeit in engen Räumen wie Fahrzeugen, Schiffen oder Flugzeugen sowie durch Übungen und Einsätze in besonderen naturräumlichen Gefährdungslagen und natürlich durch das Gemeinschaftsleben in Kasernen das Risiko übertragbarer Krankheiten mit sich. Der Gesetzgeber erwartet, dass jeder Soldat durch die Duldung von Schutzimpfungen zu seiner persönlichen Einsatzfähigkeit und damit zur Funktionsfähigkeit der Bundeswehr aus Art. 87a Grundgesetz insgesamt beiträgt. Die eigene Einsatzfähigkeit zu erhalten ist eine zentrale Dienstpflicht im hoheitlichen Dienst- und Treueverhältnis des Soldaten.

Ermessen nicht überschritten

Das BMVg hat bei der Einführung der Duldungspflicht im November 2021 das ihm eingeräumte Ermessen nicht überschritten. Damals wies die Delta­-Variante des SARS­-CoV­2-­Virus eine erhebliche Gefährlichkeit auf. Die vorhandenen Impfstoffe konnten zwar das Risiko einer Infektion und Übertragung nur verringern, aber die Gefahr schwerer Verläufe um 90 % reduzieren. Das Bundesverfassungsgericht hat zudem in seiner Entscheidung zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht das Vorhandensein einer sich verschärfenden pandemischen Lage im Winter 2021 bestätigt und näher ausgeführt, dass nach damaliger überwiegender fachlicher Einschätzung von einer erheblichen Reduzierung der Infektions- und Transmissionsgefahr durch die COVID­19­Impfung ausgegangen wurde.

Der Erste Wehrdienstsenat am BVerwG hat sich nach der von ihm durchgeführten Sachverständigenanhörung auch der Bewertung angeschlossen, dass die Impfung gegenüber der nunmehr vorherrschenden Omikron-­Variante eine noch relevante Schutzwirkung im Sinne einer Verringerung der Infektion bewirkt. Außerdem reduziert sie vor allem nach einer Auffrischungsimpfung das Risiko eines schweren Verlaufs über längere Zeiträume, sodass der positive Effekt der Impfung das mit ihr verbundene Risiko weiter deutlich überwiegt. Dies gilt nach den aktuellen Empfehlungen des Robert-Koch Instituts auch für die Gruppe der 18- bis 59-Jährigen, die den überwiegenden Anteil des militärischen Personals ausmachen. Das BMVg war berechtigt, bei seiner Einschätzung der Impfrisiken auf die Sicherheitsberichte des Paul­-Ehrlich­-Instituts zurückzugreifen. Durch die zahlreichen Einwendungen der Antragsteller wurde die Überzeugungskraft der amtlichen Auskünfte der beiden Fachbehörden nicht durchgreifend erschüttert, sodass ihr Antrag zurückgewiesen wurde.

WICHTIG: Ministerium muss Impfpflicht allerdings permanent überprüfen

Das BMVg ist verpflichtet, die Aufrechterhaltung der COVID­19­Impfung zu evaluieren und zu überwachen. Denn Daueranordnungen müssen stets daraufhin überprüft werden, ob sie angesichts veränderter Umstände weiterhin verhältnismäßig und ermessensgerecht sind. Die nachlassende Gefahr des SARS-CoV2-Virus und die verringerte Effektivität der aktuell verfügbaren Impfstoffe sind Umstände, die eine erneute Ermessensentscheidung für die Anordnung weiterer Auffrischungsimpfungen nötig machen können.

Fehlende Konsequenzen für Ungeimpfte im Gesundheitswesen

Die Soldaten stehen mit ihrer Pflichtimpfung ziemlich allein dar: Die Impfpflicht für Beschäftigte in der Pflege und in medizinischen Einrichtungen wird in keinem Bundesland konsequent durchgesetzt. Nach einer Umfrage der „Bild am Sonntag“ wurden zwar mehr als 190.000 ungeimpfte Mitarbeitende im Gesundheitswesen identifiziert. Allerdings wurden bundesweit nur 70 Betretungsverbote ausgesprochen.

Keine Bußgelder für Ungeimpfte

In Bayern, Sachsen, Hessen und Bremen wird bei Verstößen gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht vollständig auf Sanktionen verzichtet. 4 Bundesländer machten keine Angaben. Brandenburg und Niedersachsen verhängten jeweils 2 Betretungsverbote, Thüringen leitete 140 Bußgeldverfahren ein. In allen 3 Ländern beträgt die Zahl der Ungeimpften jeweils rund 10.000. Baden Württemberg leitete bei rund 24.000 ungeimpften Pflegekräfte im Land insgesamt 450 Bußgeldverfahren ein. Das Saarland brachte bei allen 2.294 ungeimpften Mitarbeitenden Verfahren auf den Weg, ein Betretungsverbot wurde bislang aber noch nicht ausgesprochen. Die meisten Sanktionen erließen der Umfrage zufolge bislang die Behörden von Nordrhein Westfalen, Hamburg und Rheinland-Pfalz – jeweils mehr als 1.000. NRW verhängte zusätzlich 66 Betretungs- und Tätigkeitsverbote.

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